Didaktische Hilfen für den Unterricht in der Grundschule

Mittwoch, 31. Mai 2006

Kreatives Schreiben

I, Praktische Unterrichtsvorschläge zum Konzept des kreativen Schreibens

1. Grundlegung praktischer Anwendungsmethoden des kreativen Schreibens
in ästhetischen Lernfeldern

„Man begreift nur, was man selbst machen kann, und man fasst nur, was man selbst hervorbringen kann“34
Womöglich nur wenige Zitate, wie dieses erneute von Johann Wolfgang von Goethe, fassen die Thematik und Intention des kreativen Schreibens so kurz und präzise zusammen.
Nicht nur die These, dass jeder Mensch die Disposition zu kreativem Schreiben in sich trägt, sondern auch die Freude des Selbstausdruckes, die Freude mit Sprache kreativ umzugehen wird hierin deutlich.35

Die Aufgabe der Schule ist es nun, dem Schüler Methoden bereit zu stellen, die es ihm ermöglichen, selbstständig und eigeninitiiert zu arbeiten.

Ausgehend von der These: „Eine Grundlage des natürlichen Schreibens ist die Tatsache, dass die Sprache multisensorisch, auf mehrere Sinne bezogen ist. Wir sind alle viel zuwenig daran gewöhnt, beim Schreiben zu hören, zu sehen und zu fühlen, weil wir meist so schreiben lernen, als ginge es dabei um eine Tätigkeit, die mit unseren fünf Sinnen nichts zu tun hat.“36,
wurde es als notwendig erachtet, das Konzept des kreativen Schreibens exemplarisch auf verschiedene ästhetische Lernfelder anzuwenden.
Die Anwendungsgebiete erstrecken sich gemäß des Fächerkanons der Grundschule auf einen fächerübergreifenden Sprachunterricht, der die Bereiche des Kunstunterrichts, der Musik- sowie der Bewegungserziehung mit einbezieht.

Anhand verschiedener Unterrichtsbeispiele sollen diese Bereiche nun im Folgenden dargestellt werden. Oftmals stellt die Arbeit innerhalb der verschiedenen Lernfelder eine Vorübung oder gar Vorform zum Prozess des Schreibens dar. Diese sollte deshalb jedoch nicht als weniger wichtig angesehen werden, da gerade in der lustvollen Begegnung mit Kunst, Musik oder Sprache bei den Schülern das Bedürfnis geweckt wird, ihre Ideen schriftlich festzuhalten oder weiterzuentwickeln. Die Ausdehnung des, im ersten Teil der Arbeit theoretisch erörterten Begriffs des kreativen Schreibens soll somit nicht als eine Verflüchtigung gesehen werden, sondern intendiert gezielt eine Bereicherung, die den Schüler in seiner Gesamtheit zu einem selbstständigen schriftlichen, künstlerischen, gestischen und musikalischen Ausdruck verhelfen möchte.

Abschließend wird eine Art Ideenkiste kleinere Schreibspiele liefern, die sich explizit auf den Fachbereich des Deutschunterrichts beziehen.

Prinzipiell sei darauf hingewiesen, dass es aus Gründen der Übersichtlichkeit als sinnvoller erachtet wurde, Arbeitsmaterialien direkt an die jeweilig vorgestellten Unterrichtskonzepte anzuschließen und nicht in einem separaten Anhang beizufügen.




2. Kunstästhetische Lernfelder: Kreatives Schreiben zu Farbimpulsen

Aus Liebe

Als das Blau auf die Welt kam,
schrie das Gelb auf,
quoll über,
wurde gelber als gelb
und sprach auf das Blau ein,
das frisch auf die Welt gekommen war:

Jetzt fließen wir ineinander
Und machen aus Liebe das Grün,
auf das alles grün wird,
grüner als grün.

Günter Grass37

Dieses Gedicht, welches Günter Grass anlässlich eines Schreibprojektes mit der Fragestellung: „Wer schrie vor Freude, als das Blau geboren wurde?“ verfasste zeigt deutlich, wie stark Impulse, die mit Farben in Verbindung stehen unsere Kreativität anregen.
Den Beweis hierfür liefern nicht nur namhafte, erwachsene Schriftsteller, sondern auch Schüler unterschiedlicher Herkunftsländer, die sich ebenfalls mit beachtlichen Resultaten an jenem Schreibprojekt beteiligten.

Diese Vorüberlegungen dienten als Grundlage, um im Rahmen eines multikulturellen Sprachunterrichts Unterrichtssequenzen zu entwickeln, die sich in unterschiedlichster Weise mit dem Thema Farben auseinandersetzen und schließlich in kreative Schreibarbeiten münden.
Sie werden nun im Folgenden vorgestellt.



















2.1 „Königin der Farben“ - ein praktischer Unterrichtsvorschlag

2.1.1 Theoretische Grundlagen
Das Bilderbuch „Die Königin der Farben“ von Jutta Bauer, welches 1998 im Beltz & Gelberg Verlag erschienen ist, soll als Grundlage für die Umsetzung eines „Tagtraums“ (Traumgeschichte) dienen.
Folgende Charakteristika des Tagträumens können angeführt werden:
die Schaffung einer angstfreien und vertrauensvollen Atmosphäre,
die Persönlichkeitsentfaltung und –harmonisierung,
die Fähigkeit, Probleme des Alltags selbständig lösen zu können,
die Entfaltung der Kreativität,
die Förderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung,
die Schulung kognitiver Prozesse,
die Förderung der Aufmerksamkeit.
Nach Elisabeth Thierer ist jeder Tagtraum in sechs Phasen zu untergliedern:
1.)Die Phase der Themenfindung
2.)Die Phase der Entspannung
3.)Die Phase der Gruppenimagination
4.)Die Aufwachphase
5.)Die Malphase/Schreibphase
6.)Die Gesprächsphase
Bei der Vorbereitung und bei dem Ablauf sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:
Das „Tagträumen“ sollte mit allen anwesenden Kindern durchgeführt werden; allerdings sollte die Gruppe nicht allzu groß sein.
Bei der Gestaltung der Umgebung ist es möglich die Kinder mit ein zu beziehen.
Besonders günstig ist es, zwei Zimmer zu benutzen: Der Raum für das „Tagträumen“ sollte gut zu verdunkeln sein und für die Kinder sollten Teppiche/Matten bereitgelegt werden. Der andere Raum kann bereits vorab für die darauf folgende Mal-/Schreib-/Bastelaktion vorbereitet werden.
Kinder, die nicht miträumen wollen, wird hier die Möglichkeit zur Stillarbeit geboten.
Nach dem Traum dürfen sich die Kinder mit ihrem Traum auseinandersetzen.
Anschließend folgt eine Besprechung der Ergebnisse. Die Kinder erzählen von ihren Erlebnissen. Falls sie es wünschen, können ihre Erzählungen aufgenommen werden.
Zum Abschluss kann ein „Traumbuch“ erstellt werden.38

2.1.2 ein praktischer Unterrichtsvorschlag
1.) Vorbereitung auf das „Tagträumen“:
Gespräch über das Träumen
kleinere Stilleübungen
Bild zur Thematik

2.) Entspannungsphase:
„Setz oder leg dich auf deinen Teppich.“
„Such dir eine Stellung, in der du dich richtig wohl fühlen kannst.“
„Stell dir vor, du wärst müde und möchtest dich ausruhen.“
„Wenn du kannst, schließe deine Augen.“
„Deine Augen werden schwer und müde.“
„Du spürst deinen Atem –ruhig und gleich mäßig.“
„Vergiss alles um dich herum und hör nur zu, hör einfach zu.“

3.) Text:
Der Text des Bilderbuchs „Die Königin der Farben“ von Jutta Bauer dient als Grundlage für das „Tagträumen“. Der Text soll zusätzlich mit Effekten untermalt werden, um die verschiedenen Sinne der Kinder anzusprechen.

Einige Ideen zur Ausgestaltung des Textes:
„Du befindest dich in einem fernen und unbekannten Land. Im Land der Königin der Farben. Der Name der Königin ist Malwida. Ihre Untertanen, die Farben, schwirren umher, verfolgen einander und verschmelzen miteinander. Malwida betrachtet das wilde, farbenprächtige Schauspiel glücklich und zufrieden, denn dies war nicht immer so…!
Eines Morgens nämlich trat Malwida, die Königin, vor ihr Schlosstor. (Schritte)
Sie rief ihre Untertanen: „Blau.“ Das Blau kam. Es war sanft und mild. (Leises Rauschen von Wasse/ Meditationsmusik)
Es begrüßte seine Königin freundlich und erfüllte den Himmel, erfüllte die Königin und verschwand leise. (Die Kinder mit Tüchern sanft berühren)
Dann rief Malwida das Rot: „Rot.“ Es warf sie fast um. (Lauter Schlag auf Becken)
Doch sie befahl ihm ein Pferd zu sein und so durchritten sie das Königreich. (Geräusch schlagender Hufe, dargestellt mithilfe von Claves/Lied auf CD:Mouvement: Animé von Debussy)
Das Rot war wild und tat gefährliche Dinge.
Malwida fühlte sich auch wild und gefährlich. Irgendwann hatte sie genug und befahl dem Rot zu verschwinden.
Es blieb ein bisschen Rosa, aber nicht lange, denn dann kam das Gelb. „Bleib!“, sagte sie, „du bist so schön warm und hell.“ (Kinder mit Taschenlampe anleuchte; Kinder mit warmen Gegenstand berühren)
Aber das Gelb war nicht nur warm und hell, sondern konnte auch zickig und gemein sein. (leichte Schläge auf Triangel).
Doch das konnte Malwida auch, und so kam es zum Streit. (Mehrmals kurz auf ein Becken schlagen)
Das sanfte Blau wollte schlichten, aber es konnte sich nicht durchsetzen.
Dann kam noch das neugierige Rot dazu, und alles wurde grau. Und grauer. Und grauer. (Mit Handfläche die Oberfläche einer Trommel reiben)
Malwida war grau, das Schloss war grau, der Berg war grau, der Himmel war grau.
„Hau ab!“ sagte Malwida.
Sie schimpfte, tobte und schrie! (Währenddessen Lied auf CD: Die vier Jahreszeiten: Presto von Vivaldi, nur den Anfang!)
Das Grau ließ sich nichts befehlen, es blieb. So verging eine lange Zeit.
Die Königin der Farben war keine Königin mehr. Sie war nicht mehr sanft, nicht mehr wild, nicht mehr warm, nur noch traurig.
Da musste Malwida weinen. Erst ganz schwach und leise, dann immer stärker und lauter. Es quollen Mengen von Tränen hervor, und je mehr sie weinte, umso mehr verschwand das Grau. (Währenddessen mit Fingerspitzen auf Trommel klopfen, zuerst schwach und nach und nach immer schneller und stärker)
Stattdessen waren überall ihre Tränen. Und da waren sie wieder: Das sanfte Blau (Leises Rauschen von Wasser/Meditationsmusik), das wilde Rot (Duft), das warme und manchmal gemeine Gelb (Kinder mit Taschenlampe anleuchte/Kinder mit warmen Gegenstand berühren).
Sie spielten zusammen… (à Lied auf CD: bspw.: Sunshine Reggae/Allegretto Scherzando von Debussy)
bis sie müde wurden (Lautes Gähnen).
Dann deckte das sanfte Blau alles zu (Tücher über die Kinder legen).39“

4.) Aufwachphase:
„Balle jetzt deine Fäuste ganz fest.“
„Beuge und strecke kräftig deine Arme.“
„Atme tief durch und öffne deine Augen. Gähne ausgiebig.“
„Geh jetzt bitte ins andere Zimmer und setzte dich an deinen Platz.“
„Papier und Stift liegen schon bereit. Male jetzt das wovon du geträumt hast./
„Schreibe deinen Traum auf.“
„Du hast so lange Zeit, wie du brauchst.“

5.) Ausführungen der Schüleraktivitäten
- Kinder malen ein Bild
- Kinder schreiben über ihre Erlebnisse

6.)Gespräch in der Gruppe















2.2 „Weiß weiß bescheid“ – ein praktischer Unterrichtsvorschlag

Das Buch Weiß weiß Bescheid – Ein Farben- Entdecker- Buch,40 welches 1998 in der Baumhaus Verlag AG erschienen ist, bildet zwar die theoretische Grundlage der Unterrichtssequenz, führt diese jedoch nicht an.
Der Verständlichkeit halber soll jedoch zunächst der Inhalt des Buches kurz umschrieben werden.
Das Buch, das mit sehr wenig Text und einfachen Zeichnungen illustriert ist, handelt zunächst von der Farbe Weiß, die auf der Suche nach Gelb ist. Weiß kann Gelb jedoch nicht finden und schließt sich statt dessen Schwarz an, die nun gemeinsam nach Gelb suchen. Auf ihrer Suche treffen sie auf Blau und hören schließlich Gelb und Rot, die in einem lautstarken Streit um weitere Farben verwickelt sind. Der Streit droht zu eskalieren, als sich schließlich auch noch Blau „einmischt“. Da Weiß und Schwarz als alte und weise Farben der Diskussion fern bleiben, werden sie bald Zeugen eines wunderbaren Schauspiels: Unbemerkt haben sich die Farben innerhalb ihres Streits zu einem Regenbogen vereinigt und freuen sich schließlich über ihr Ergebnis!

Wenngleich das Buch zu Beginn der Unterrichtssequenz sicherlich sehr motivierend auf die Schüler einwirkte, so soll jedoch, wie bereits erwähnt ein anderer Anfang gemacht werden:


Hinführung durch Stillen Impuls:
Das Dia eines Regenbogens wird zu Beginn der Unterrichtseinheit an eine freie Wand projiziert. Es soll einige Minuten auf die Schüler einwirken, die sich zunächst nicht dazu äußern sollen.

Für die Hinführung wurde bewusst ein Dia gewählt, da es gegenüber einem Einzelbild auf Papier einige lernpsychologische Vorteile aufweist:

„Die Abdunklung des Raumes und der durch die helle Bildfläche entstehende Kontrasteffekt wirken beruhigend und erhöhen die Konzentration. Die Gefahr einer Ablenkung ist geringer.
Die Leuchtkraft der Farben verstärkt plastische Wirkung und Farbsymbolik.
Die Großprojektion an der Wand wirkt raumschaffend und „einnehmend“. Dadurch dürfte es dem Schüler leichter fallen, sich in die Szene einzuleben.“41

Brainstorming:
Nachdem die Schüler das Bild auf sich wirken ließen, wird der Projektor kurzzeitig abgeschalten und das Wort Regenbogen an die Tafel geschrieben. Die Schüler sind nun aufgefordert Assoziationen oder Ideen in Form von Wörtern, Sätzen oder kleinen Bildchen an die Tafel zu schreiben oder der Lehrkraft zu diktieren. Anschließend werden die einzelnen Aussagen der Schüler vorgelesen und gegebenenfalls in einem Unterrichtsgespräch kommentiert oder erweitert.

Nach dieser Brainstormingphase, erhält jeder Schüler ein Blatt mit der Überschrift:
„Ein besonderer Tag im Leben der Farben“

kreative Schreibphase:
Nun wird das Dia erneut gezeigt und die Schüler haben die Möglichkeit, ausgehend von dem Regenbogenbild einen Text mit der besagten Überschrift zu verfassen.
Es ist den Schülern freigestellt, sie das Dia als Ausgangspunkt für ihre Erzählung sehen oder als Endpunkt oder womöglich völlig andere kreative Texte verfassen.

Innere Differenzierung:
Für Kinder, die vorzeitig mit ihren Texten abschließen, bietet sich die Möglichkeit, zu ihrem Text Bilder zu malen oder mit der Lehrkraft einen großen Klassenregenbogen zu entwerfen, der später mit der Überschrift über die Schülertexte gehängt werden soll.




Lesekreis:
Nach der Schreibphase werden alle Schüler gebeten, ihre Arbeiten mit in einen Sitzkreis zu nehmen, der sich auf unterschiedlich farbigen Decken formiert. Schüler dürfen nun freiwillig ihre verfassten Texte vorlesen und erhalten gegebenenfalls Fragen von ihren Mitschülern darüber.
Zum Abschluss erklärt die Lehrkraft, dass sie heute auch den Text eines Autoren mitgebracht hat, der sich zum gleichen Thema wie sie Gedanken gemacht hat und auch dazu gemalt hat.
Nun wird das Buch „Weiß weiß bescheid“ vorgelesen. Die Schüler haben danach Gelegenheit dieses zu kommentieren oder Fragen zu stellen.

Erweiterungsmöglichkeiten zum Umgang mit dem Buch:
Nachdem die Bilder des Buches sehr einfach gemalt sind, bietet es sich an, das Buch mit Hilfe von farbigem Transparentpapier auf dem OHP mit den Schülern in gewissermaßen selbst zu illustrieren. Hierzu werden lediglich Abrisse von weißem, schwarzem, blauen, gelbem und rotem Transparentpapier benötigt, die gemäß der Buchvorlage platziert werden und bei Überschneidungen der einzelnen Farben ebenfalls einen Mischeffekt erzielen. So kann die Geschichte erneut verlesen werden, während einige Schüler die einzelnen Farben „spielen“.
Natürlich bestünde auch die Möglichkeit die Schüler selbst, ohne erneutes Verlesen des Textes spielen zu lassen oder sie eine neue Handlung ausdenken zu lassen.

Erweiterungsmöglichkeiten, die das Thema Regenbogen bietet:
Besonders für die Fächer Kunsterziehung und Sachunterricht bietet der Regenbogen als Thema reichhaltige Möglichkeiten, wie die Erläuterung des Farbkreises, Mischexperimente, die die Schüler selbst mit Farben durchführen können, physikalische Erläuterungen zum Entstehen eines Regenbogens und der Zusammensetzung des Lichts oder Brechungsexperimente mit Prismen, wodurch die Schüler selbst Regenbögen erzeugen können.
























2.3 „Der, Die, Das und Kunterbunt“ - ein praktischer Unterrichtsvorschlag

Ein Beispiel dafür, dass Farben auch zur gezielten Übung eines grammatischen Gegenstandes, wie den Artikeln und ihrer Flexion dienlich sein können, liefert das Bilderbuch: „Der, Die, Das und Kunterbunt“ von Manfred Schlüter, 199642
In diesem Buch werden die drei Artikel bewusst gemacht indem es das System der Artikel innerhalb eines Textes anbietet. Zunächst soll jedoch der Inhalt des Buches kurz erläutert werden.

Drei fischartige Wesen, der kleine Gelbe (gelbes Dreieck), die kleine Rote (roter Kreis) und das kleine Blaue (blaues Viereck) leben jeweils im gelben, roten und blauen Meer. Als das kleine Blaue sich verschwimmt und ins rote Meer gelangt, wird es von den Roten abgelehnt. Nur vor der kleinen Roten braucht das kleine Blaue keine Angst zu haben. Zu zweit schwimmen sie weiter, geraten in das gelbe Meer und treffen auf den kleinen Gelben, vor dem sie keine Angst zu haben brauchen. Aber die anderen Gelben sehen nicht gerade freundlich aus. Der kleine Gelbe kommt mit. Nun sind sie zu dritt und gelangen ins blaue Meer, wo das kleine Blaue freudig empfangen wird, aber der kleine Gelbe und die kleine Rote müssen weiterschwimmen, denn die Gelben gehören ins gelbe Meer, die Roten gehören ins rote Meer. Da will das kleine Blaue auch nicht mehr im blauen Meer bleiben, und die drei schwimmen weiter, bis sie im kunterbunten Meer landen. Hier bleiben sie und wenn sich irgendein Gelber oder eine Rote oder ein Blaues in ihr schönes Meer verirrt, sagen sie: „Keine Angst, wir beißen nicht!“


Hinführung zum Thema:

Als Basis der Unterrichtseinheit dient das Bilderbuch, das gleichzeitig die Hinführung zum Thema leistet. Aufgrund der Tatsache, dass das Buch sehr anregend gestaltet ist und durch seine Episodenstruktur hervorsticht, regt es die Schüler sehr bald zum Mitsprechen bestimmter Textteile, wie z.B. „Dies ist das rote Meer, das rote Meer ist für die Roten da!“ an.43
Eine Variante neben dem Verlesen des gesamten Textes wäre, den Schülern den Schluss vorzuenthalten und sie nach möglichen Schlüssen zu befragen.

Festigung des Gehörten:

Um die soeben gesprochenen und gehörten Textteile zu festigen schließt nach der Lesephase eine Spielphase an. Hierbei werden einzelnen Schülern gemäß des Bilderbuches je eines der Symbolzeichen, stellvertretend für die drei Artikel umgehängt. Daraufhin platzieren sie sich auf gelbe, rote oder blaue Betttücher, die die verschiedenen Meere symbolisieren und sprechen den gehörten Text in der ersten Person: „Ich bin der kleine Gelbe und leben mit allen anderen Gelben im gelben Meer!“ oder im Chor im Plural: „Wir Gelben können sooo gut sehen... Wir haben vor nichts Angst. Höchstens vor den Blauen oder den Roten.“44

Übung der Artikel durch Lieder und generatives Schreiben:

Das sogenannte „Fischtanzlied“, welches sich explizit auf die Thematik des Buches bezieht, fördert bei den Kindern nicht nur das Verständnis für die Verwendung der Artikel im Nominativ, Akkusativ und Dativ, sondern schafft gleichzeitig durch das Medium der Musik einen veränderte Verarbeitungsmöglichkeit und somit eine effektivere Festigung des Lernstoffes.
Die Melodie des Fischtanzes beruht auf der des Katzentatzentanzes von Fredrik Vahle (1985) und ist somit sehr eingängig.



Langfristiges Einüben der Artikel des Grundwortschatzes mit Hilfe von Spielen:

Mit Hilfe der drei Artikelfische können natürlich auch Übungen von den Schülern bewältigt werden, die nicht mit dem Bilderbuch selbst in Verbindung stehen.
Die Fachzeitschrift Praxis Deutsch bietet in ihrer Märzausgabe Übungsspiele an, die die Symbolik der Artikelfische aufgreifen und zum Einüben des Grundwortschatzes und dessen Begleiter dienen.
Die Beschreibung der Spiele findet sich auf der nächsten Seite.
Allgemein sei dazu festgestellt, dass die Spiele von den Schülern selbst hergestellt werden können, indem Bildsymbole des Grundwortschatzes auf Karten geklebt und ausgemalt werde.
Kontrollblätter, auf den überprüft werden kann, welcher Artikel zu welchem Nomen gehört, ermöglichen den Schülern eine Selbstkontrolle und gestalten das Üben differenzierter.45


Erweiterungsmöglichkeiten zum Umgang mit dem Buch:

Aufgrund der bereits angesprochenen Eigenheit des Buches, dass sich Sätze oder Satzbausteine stetig wiederholen, eignet sich der Text sehr gut als Vorlage für ein Theaterstück. Nicht nur die künstlerische Ausgestaltung des Textes, sondern auch das stetige Wiederholen bestimmter Strukturen, ermöglicht gerade bei schwächeren Schülern eine von ihnen unbemerkte Verbesserung ihres Sprachgebrauchs durch das lustvolle Erlernen von Textpassagen. Darüber hinaus bieten weitere, bereits genannte Ausgestaltungsformen, wie der Fischtanz die Möglichkeit, in das Theaterstück eingebaut und somit zu einer abwechslungsreichen Aufführung beizutragen.

In Bezug auf das selbstständige Verfassen von Texten unter Einbezug der Artikelfische, könnten Schreibanlässe, wie: „Ein Tag als Roter, Gelber oder Blauer“, „Die Familie des Roten, Gelben oder Blauen stellt sich vor“, „Ich als Blauer kann vieles besser als die Roten, weil...“ oder ähnliches geboten werden. Wichtig dabei ist, dass sich die Schüler mit dem gewählten Farbentier identifizieren können und somit leichter Wünsche oder Gefühle ausdrücken lernen.




3.Verbindung kunst- und musikästhetischer Lernfelder

3.1 Theoretische Grundlagen
Das „Musik – Malen“ hat eine Reihe von positiven Funktionen:
Hemmungen werden abgebaut.
Es tritt eine allgemeine Spannung und Lockerung ein.
Die Konzentrationsfähigkeit wird gestärkt.
Die Frustrationstoleranz wird erhöht.
Die Phantasie wird intensiviert und zugleich strukturiert.
Es ermöglicht den Schülern vor allem, persönliche Gefühle und Assoziationen in den Unterricht einzubringen.
Hilfreich ist es mit der graphischen und malerischen Umsetzung von einfachen
Klängen und Geräuschen zu beginnen und dann erst zur zeichnerischen und
malerischen Erarbeitung und Umsetzung von Musikstücken überzugehen.46

3.2 ein praktischer Unterrichtsvorschlag
Es werden zwei Musikstücke ausgewählt, die in starkem Kontrast zueinander stehen
(Zum Beispiel: Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ und Ravels „Bolero“ oder klassische
Musik und Pop – Musik). Die beiden Musikstücke werden den Kindern vorgespielt;
währenddessen lassen die Kinder ihre Kreide oder ihren Stift passend zur Musik
über das Papier gleiten. Wichtig ist es hierbei, keine bestimmte Darstellung von
den Kindern zu fordern! Auch Farben können benutzt werden, um die verschiedenen
Gefühle und Assoziationen der Kinder auszudrücken.

Man kann hierbei auch variieren. Zuerst wird ein „trauriges“ Musikstück vorgespielt.
An der Tafel sind verschiedene Farbkreise befestigt. Die Kinder sollen nun die Farben
benennen, die sie mit der gehörten Musik assoziieren. Schließlich spielt man den
Kindern ein „fröhliches“ Musikstück vor und fordert sie daraufhin auf, sich zu
überlegen, welche Farben in dieser Musik ihrer Meinung nach vorkommen.
Anschließend dürfen die Kinder das Stück mit Hilfe von Farben darstellen.












4.Verbindung kunst- und bewegungsästhetischer Lernfelder

praktische Unterrichtsvorschläge
Wortbild – Assoziationen:
Sie sprechen Worte aus, die starke emotionale Bedeutungen implizieren, z.B. Explosion, Orkan, Feuersbrunst. Die Schüler improvisieren in wenigen Minuten kurze Skizzen mit Farbe. Eine weitere Variante ist, dass die Kinder auf die einzelnen Worte mit kurzen pantomimischen Körperaktionen reagieren.

Kinetische Körperskulptur:
1. Stufe: Vier Schüler bilden eine Gruppe, von denen drei eine lebende Skulptur darstellen. Der vierte Schüler agiert währenddessen als Designer, Bildhauer, Regisseur usw. Er arrangiert seine Mitschüler zu einer Plastik, wobei diese wie eine Maschine immer wiederkehrende Bewegungen ausführen.
2. Stufe: Der Rest der Klasse lässt sich durch die bewegte Körperskulptur bspw. zur Zeichnung einer imaginären Bewegungsmaschine anregen.

Ein Bild „bilden“:
Mehrere Kinder stellen eine Personengruppe aus einem Gemälde nach. Dazu bedarf es im Vorfeld des genauen Studiums des Gemäldes!47





























5.Musikästhetische Lernfelder

„Dies ist das Gefühl für Laut und Rhythmus,
das weit tiefer reicht als alles bewusste Denken und Fühlen
und das jedes Wort mit lebendiger Kraft erfüllt.“
T.S.Elliot48

Wie dieses Zitat verdeutlicht, wohnt nicht nur einem Lied oder einer Klangmelodie ein gewisser Rhythmus inne. Die Sprache selbst ist von einem Rhythmus geprägt und kann je nach Betonung und Klang verschiedenen Intentionen dienlich sein und unterschiedliche Gefühle im Empfänger wecken.
Anders als im zweiten Kapitel des Praxisteils, in dem es ausschließlich um Klangmelodien und deren künstlerische Umsetzung ging, beschäftigt sich dieser Abschnitt neben Klangmelodien mit der „Musik“ der Sprache und ihren vielfältigen Ausgestaltungs-möglichkeiten.
Aufgrund der Tatsache, dass Musik ein Medium darstellt, dass unseren Sinne sehr stark anspricht und den Menschen in seiner Ganzheit einbezieht, ist sie besonders im Rahmen des kreativen Schreibens von größter Wichtigkeit.49
Daneben gelingt durch den lustvollen und experimentellen Umgang mit Sprachstücken eine neue Begegnung mit Sprache und es können möglicherweise beim Verfassen von Texten Schreibbarrieren abgebaut werden.

Um jedoch mit den Schülern ansprechende und lustvolle Sprachmusik gestalten zu können, erscheint es als notwendig, Instrumente anzufertigen, die den natürlichen Sprachrhythmus unterstützen und hervorheben. Darüber hinaus können mit Hilfe der Herstellung von Instrumenten handwerkliche Fähigkeiten und planmäßiges Vorgehen geschult werden, was einer pädagogischen Konzeption, wie dem Lernen mit Kopf, Herz und Hand sehr entgegen zu kommen scheint.

Ausgehend von diesen Überlegungen werden nun im Folgenden einige Musikinstrumente mit ihrer entsprechenden Anleitung vorgestellt, um in einem weiteren Schritt die Möglichkeiten ihres Einsatzes vorzustellen.

















5.1Musikinstrumente basteln

Die Auswahl der nun vorzustellenden Musikinstrumente, bezieht sowohl ökonomische, als auch ökologische, sowie in der Herstellungsweise liegende Gründe mit ein. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, vorhandene oder leicht erschwingliche Materialien zu nutzen und bei der Herstellung darauf zu achten, dass die zu nutzenden Werkzeuge von den Schülern beherrschbar sind.50
5.1.1 Trommeln
Da Trommeln bei Schülern einen hohen Stellenwert besitzen und sich für jegliche Art von Rhythmus als Begleitinstrument eignen sollen an dieser Stelle einige Varianten vorgestellt werden:
1. Röhrentrommel oder Bongo mit Schlagstäben

Material:
unterschiedlich lange und dicke Pappröhren,
Elefantenhaut,
Gummiringe,
doppelseitiges und einfaches Klebeband,
Korken,
dünne Rundholzstäbe.

Anleitung:
Elefantenhaut mit Schwamm vorsichtig anfeuchten,
die Elefantenhaut mithilfe des doppelseitigen Klebebandes stramm über die Röhre Spannen und zusätzlich mit Gummiringen befestigen,
evtl. mehrere Röhren mit Klebeband zusammenfügen,
in die Unterseite der Korken ein Loch bohren,
die Holzstäbe an einer Spitze anfeilen,
Holzstäbe in die Korken kleben


Eine spezielle Anleitung für stärkere Schüler könnte wie folgt lauten:

Material:
Papprollen,
Elefantenhaut- Papier,
Gummiringe,
Klebeband,
Schwamm
Korken,
dünne Holzstäbe

Anleitung:
Mache den Schwamm ein wenig nass.
Streiche damit leicht über das Papier.
Wickle das Klebeband um die Papprolle und klebe das Elefantenhaut- Papier stramm darauf. Spanne noch einen Gummi darüber.
Hole dir eine Feile.
Spitze damit das eine Ende des Holzstabs an.
Hole dir noch einen Bohrer und Klebstoff.
Bohre in den Korken ein Loch und gib etwas Kleber hinein.
Stecke den Holzstab fest in das Loch.

5.1.2 Rasseln und ähnliche Vertreter

1. Schellenrassel


Material:
Kleiderbügel aus Holz,
Kronkorken,
Perlonschnur.

Anleitung:
In die Kronkorken Löcher nageln,
Kronkorken auf die Perlonschnur ziehen (nach jeweils zwei Kronkorken einen Knoten in die Schnur machen),
Perlonschnur am Kleiderbügel befestigen und spannen.



Eine spezielle Anleitung für stärkere Schüler könnte wie folgt lauten:


Material:

Kleiderbügel aus Holz
Kronkorken
Schnur
Nagel


Anleitung:
Hole dir einen Hammer,
Lege die Kronkorken auf ein Holzbrett.
Schlage mit einem Nagel Löcher in die Kronkorken.
Nimm die Schnur und mache einen Korken hinein.
Dann fädelst du 2 Kronkorken auf die Schnur.
Mache dahinter wieder einen Knoten.
Danach nimmst du wieder zwei Kronkorken, mache immer so weiter.
Wenn du damit fertig bist, nimmst du die Schnur und bindest sie am Kleiderbügel an. Ziehe sie ganz stramm.



2. Regenstäbe

Material:

Pappröhre (z.B. Geschenkpapierrolle)
Nägel, Klebeband,
Füllmaterial (z.B. Reis oder Kies)


Anleitung:

Nägel spiralförmig in 1 bis 2cm Abstand in die Röhre einschlagen,
Band über die Nagelköpfe und ein Röhrenende kleben,
nacheinander mit unterschiedlichem Material füllen und Klang erproben,
sich für ein Material entscheiden und zweites Ende schließe


Eine spezielle Anleitung für stärkere Schüler könnte wie folgt lauten:


Material:

Papprolle
Nägel,
Klebeband,
Reis, Kies



Anleitung:

Hole dir einen Hammer.
Schlage auf der Linie entlang die Nägel in die Papprolle.
Lasse immer etwas Abstand.
Klebe danach das dünne Klebeband über die Nagelköpfe.
Klebe das eine Ende der Papprolle mit dem breite Klebeband gut zu.
Jetzt kannst du den Kies oder etwas anderes in dein Rohr füllen. Probiere verschiedene Sachen aus.
Wie unterscheiden sich die Geräusche?





5.1.3 Weitere Instrumente
1.Reco- Reco


Material:

Rundholz (eventuell abgeflacht),
dünnes Holzstäbchen als „Schrapper“,
Joghurtbecher als Resonanzkörper.

Anleitung:

Kerben in das Holz raspeln/feilen,
Becher auf das Rundholz schrauben.




Eine spezielle Anleitung für stärkere Schüler könnte wie folgt lauten:


Material:

Stock
Joghurtbecher
Dünner Holzstab
Nagel
Schraube

Anleitung:

Hole dir eine Raspel und eine Feile.
Nimm zuerst die Raspel und schnitze Kerben in das Holz.
Versuche es danach mit einer Feile.
Steche mit dem Nagel ein Loch in den Joghurtbecher.
Hole dir dann einen Becher und einen Schraubendreher.
Bohre an ein Ende des Stocks ein Loch.
Schraube den Becher an den Stock.


















2.Stabkastagnetten


Material:
Flache, handliche Leiste,
Bindfaden.

Anleitung:
Zwei kleine, gleich große Holzteile absägen,
Schnittstellen glatt schmirgeln, Löcher der Abbildung entsprechend in alle Holzteile bohren,
die beiden kurzen Holzteile an die verbleibende Leiste so anbinden, dass noch genügend Spielraum bleibt



Eine spezielle Anleitung für stärkere Schüler könnte wie folgt lauten:


Material:

dünnes Brett
Bindfaden
Schere
Bleistift



Anleitung:
Gehe zu der Sägebank.
Säge zwei kleine, gleich große Holzteile ab.
Hole dir Schmirgelpapier und reibe damit über die Kanten.
Hole dir einen Bohrer.
Bohre in ein kleines Holzteil zwei Löcher.
Lege das Holzteil auf das große Brett und steche mit einem Bleistift durch die Löcher.
Auf den Punkten bohrst du dann wieder zwei Löcher.
Mache es mit dem dritten Brett genauso.
Fädle nun einen Faden durch die Löcher.
Knote ihn nicht zu fest.














5.2Selbstgebastelte Instrumente spielen

Wie bereits einleitend erwähnt, sollen an dieser Stelle Möglichkeiten der Anwendung der eigenen Sprache in Verbindung mit verschiedenen Instrumenten vorgestellt werden.
Im Vordergrund stehen dabei weniger das Singen und Begleiten von Melodien, wenngleich dies auch ein reizvoller Aspekt ist, sondern der kommunikative und sinnliche Umgang mit Instrumenten und das Entdecken der Sprachrhythmik durch speziell dafür vorgesehene Verse.
Denn nach der Auffassung von Eva Bannmüller steigert eine wechselseitige Wahrnehmung des rhythmischen das ästhetische Erleben, es erweitert ästhetische Erfahrungsmöglichkeiten, aktiviert die Empfindungs- und Wahrnehmungsbereitschaft und spricht den Menschen als Ganzes an, indem es ihm möglich wird, den Körper als Ausdruckorgan einzusetzen.51
Diese bei den Schülern erweckte Wahrnehmung kann daraufhin für das Schreiben von Texten oder weiterführenden Versen herangezogen werden.

Das Spielen mit Trommeln:
Zu Beginn einer rhythmischen Schulung eignet sich besonders der Einsatz von Trommeln, da diese den Schülern bereits aus anderen Kulturen, wie beispielsweise von afrikanischen Stämmen als Kommunikationsmittel bekannt sind.
Möglichkeiten ihres Einsatzes bieten sich beim Sprechen von Wörtern und der gleichzeitigen Betonung der Silben oder beim Vortrommeln verschiedener Rhythmen und dem Nachahmen durch die Schüler. Leichtere Trommelvorgaben könnten hierbei sein:

Eine Umsetzungsmöglichkeit dieser Rhythmen besteht im Vorspielen von Seiten der Lehrkraft und der daraufhin folgenden Nachahmung von den Schülern.
Nachdem diese Form einige Male mit den Schülern geübt wurde, kann den Schülern in Gruppen Zeit gegeben werden innerhalb der sie sich eigene Rhythmen überlegen dürfen und notieren, mit ihrer Gruppe daraufhin vortragen und nach kurzer Übung mit der gesamten Klasse spielen.
Diese Form des Arbeitens kommt der des kreativen Schreibens sehr nahe. Wenngleich kein Text produziert wird, so formen die Schüler auf der Grundlage bereits gelernter rhythmischer Muster neue Variationen.


Eine darauf aufbauende Möglichkeit des Gebrauches der Trommel spiegelt das Frage- und Antwortspiel wider.
Hierbei wird statt mit Worten mit der Trommel gesprochen. Die Schüler sind aufgefordert, verschiedene Stimmungen mit Hilfe der Trommel zu artikulieren. Somit soll versucht werden, mit den Trommel zu streiten, sich etwas zu erzählen oder beispielsweise zu tuscheln.
Wichtig hierbei ist jedoch, dass die Gesprächspartner aufeinander hören.52

Eine Variante dessen stellt das Erzählen von Geschichten mit Hilfe der Trommel dar.
Hierbei wird eine Geschichte verlesen und gleichzeitig entsprechende Geräusche auf der Trommel nachgeahmt:

Kleine Trommelgeschichte

leichter Wind – dunkle Wolken
gibt´s Regen?
es tröpfelt
der Wind wird stärker
es regnet, es regnet
es heult und pfeift
es schüttet
es gießt
es hagelt
Donner, Blitz, Donnerwetter, Blitzdonnerwetter
es prasselt auf deinen Regenschirm
lauf schnell nach Haus!53



Das Spielen mit anderen Instrumenten:

Neben Trommeln können natürlich auch andere Instrumente für Sprachspiele oder zur Begleitung von Sprechstücken eingesetzt werden. Welche Instrumente eingesetzt werden, hängt von den Vorlieben der Schüler und natürlich dem Repertoire an zur Verfügung stehender Mittel ab. Die nun folgenden Sprechstücke sind einer Sammlung des Lehrstuhls für Musikdidaktik an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät Nürnberg entnommen, weswegen keine Angaben über die entsprechenden Quellen gemacht werden können.

Der Sprechtext, eine kleine freche Spinne, eignet sich sehr gut als Entspannungs- und kurze Bewegungsphase zwischen zwei Unterrichtseinheiten. Er ist sehr leicht zu merken und kann von den Schülern deshalb sehr bald mitgesprochen werden. Darüber hinaus sieht der Text vor, neben dem Sprechen die dazu passenden Bewegungen durchzuführen, was wiederum zu einer stärkeren gedanklichen Festigung beiträgt.
Im Sinne des generativen Schreibens, können die Schüler sich neue Strophen zu der von der Lehrkraft vorgeführten ausdenken, die ein anderes Tier mit einschließt oder andere Körperteile einbindet.
Wie die Überschrift besagt, kann das Sprechstück natürlich auch durch Instrumente, wie Rasseln oder Schellen begleitet werden.
Beim Sprechstück, „Erbsen rollen über die Straße“ verhält es sich ähnlich, wie bei dem eben genannten Exemplar.
Wiederum zeichnet sich der Text, der ebenfalls gestisch und instrumental begleitet werden kann, durch seine einfache Struktur aus.
Allerdings muss beim Sprechen des Textes auf die Rhythmik geachtet werden, die sich durch den Wechsel von Viertel- und Achtelnoten auszeichnet.
Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, den Text mitsamt der Begleitung im Kanon zu sprechen und zu spielen, was zu einem sehr schönen Klang führt.

Natürlich kann auch dieses Stück als Schreibanlass dienen, um weitere Gegenstände über Medien oder Gegenstände zu bewegen.

Der musikalische Zoo ist ebenfalls ein sehr motivierendes Sprachstück, bei dem bei der Darstellung der einzelnen Tiere durch die Schüler im gewissen Maße auch ein individueller Ausdruck gefordert wird. So sind Rhythmus und Text zwar vorgegeben, die Bewegungen zur Unterstützung der einzelnen Charaktere jedoch offen gelassen.

Die Gesamtgestaltung des Stückes könnte in der Form geleistet werden, dass die Großgruppe der Schüler in vier gleich große Gruppen eingeteilt wird, die jeweils einen Sprechrhythmus übernehmen. Daneben erhält jede Gruppe für sie typische Instrumente, wie Rasseln, Glocken, Trommeln, Schellenkränze oder ähnliches.
Nach dem mehrmaligen Einüben des Textes in Begleitung mit den Instrumenten, werden die verschiedenen Textpassagen gleichzeitig und somit durcheinander gesprochen und gespielt.

Im nächsten Schritt laufen die einzelnen Gruppen im Raum herum und versuchen ihren Sprechtext mit instrumentaler Unterstützung zu sprechen, ohne von den anderen Schülern aus dem Takt gebracht zu werden.
Ein letzter Schritt könnte darin bestehen, dass jeder Schüler sich zu seinem Tier oder seinem Zuschauer eine eigene Bewegung überlegt, die er dann den anderen Gruppenmitgliedern mitteilt. Daraufhin werden die einzelnen Vorschläge der gesamten Großgruppe mitgeteilt und von dieser nachgeahmt.
Abschließend werden weitere Tiere genannt und Sätze zu ihnen von den Schülern verfasst, die daraufhin wieder in einem bestimmten Rhythmus vorgestellt werden


5.3Klanggeschichten

Die Arbeit mit Texten, die eine klangliche Gestaltung ermöglichen, stellt ein Mittel zur Musikalisierung dar. Mithilfe des musikalisch- gestalterischen Arbeitens mit Texten werden die Kinder beispielsweise für Stille, Umweltgeräusche und Klänge sensibilisiert; des Weiteren lernen sie aktiv zuzuhören, aufeinander zu reagieren und Ort, Dauer und Ausdrucksqualität von Klängen einzuschätzen und selbst einzusetzen.
Auch trägt dieses Verfahren dazu bei, musikalische Strukturen und Prozesse besser zu verstehen. Nach Wilfried Gruhn ist Musikverstehen nämlich nur auf der Basis mentaler Repräsentation möglich:
„Denn Hören lernt nur, wer zunächst eine figurale Repräsentation aufbauen konnte. Man erwirbt figurale Repräsentationen im eigenen Produzieren von musikalischen Ereignissen mit Stimme oder Instrument oder durch körperliche Darstellung von Bewegung.“54
Die beiden Klanggeschichten „Kleinstadtbahnhof“ und „Auf dem Segelboot“ regen die Phantasie der Kinder an und sind Beispiele für produktionsorientierte und ergebnisoffene Lernarrangements. Die Texte werden so weit wie möglich klanglich ausgestaltet, so dass im Idealfall ein kleines Hörspiel entsteht, in dem alles zu hören ist, was im Text beschrieben ist.
Mit den beiden Texten kann selbstverständlich auch szenisch gearbeitet werden.

„Kleinstadtbahnhof“
Auf dem Bahnsteig tummeln sich tschilpende Spatzen.
Sie suchen nach Essbarem.
Der ICE nach München rauscht vorbei.
Die Straßenreinigungsmaschine
mit ihrer großen Drehbürste fährt langsam über den Bahnsteig
und treibt die Spatzen vor sich her.
Der Regionalexpress von Oberneustadt fährt ein.
Eine Schulklasse steigt aus.
Die Kinder hüpfen und trappeln über den Bahnsteig
und durch die Bahnhofshalle.
Sie entfernen sich in Richtung Stadtmitte.
Der Zug fährt ab.
Die Spatzen stürzen sich auf die weggeworfenen Tüten,
Schachteln und Dosen.
Ein alter Mann schlurft über den Bahnsteig.
Er sucht im Papierkorb nach Zeitungen.
Mit den gefundenen Seiten setzt er sich auf die Bank.
Er liest eine Weile, dann schläft er ein.
Die Zeitung fällt zu Boden.
Ein Windstoß erfasst sie und treibt die Seiten über die Gleise.
Eine Wespe schwirrt um den alten Mann herum,
dann eine zweite, eine dritte, ein ganzer Schwarm.
Der Mann erwacht, schüttelt die Wespen ab
und schlurft davon, so schnell er kann.
Die Wespen bleiben zurück und umsummen den Papierkorb.
Zwei Kinder, mit ihren Handys beschäftigt, setzen sich auf die Bank.
Stumm und eifrig bearbeiten sie ihre Mobiltelefone,
die allerlei Töne von sich geben.
Die Wespen gehen geschlossen zum Angriff über.
Die beiden Kinder springen auf und schlagen wild um sich.
Der Wespenschwarm wird aggressiver.
Die Regionalbahn nach Unterneustadt fährt ein.
Die Kinder steigen schnell ein und ziehen die schwere Türe hinter sich zu.
Der Zug fährt ab. Die Wespen schwirren davon.
Auf dem Bahnsteig picken die Spatzen nach Essbarem.




„Auf dem Segelboot“
Ein Segelboot bei Windstille.
Das Wasser gluckert unterm Kiel.
Die Wanten schaben am Mast.
Der Verklicker klickert und klackert leise.
Die Besatzung drischt Skat.
Lachmöwen zischen vorbei.
Das Boot gleitet ins Schilf.
Dort geben Frösche und Rohrdommeln ein Konzert.
Eine Windbö: Die Frösche springen ins Wasser.
Der wind zieht schnell an.
Die Segel knattern.
Die Spielkarten fallen zu Boden.
Das Boot rauscht auf den See hinaus.
Es fährt hart am Wind und brummt dabei.
Der Wind heult.
Wellen schlagen gegen das Boot.55






















6.Ästhetische Bewegungserziehung

Das letzte, noch zu erörternde Lernfeld ist das der Bewegung.
Bewegungsformen, wie Gehen, Laufen, Hüpfen oder Gesten sind gemein, dass sie mit einem verstärkten emotionalen Bewegungsgefühl einhergehen. Sie sind spannend, erzeugen Spaß und beziehen neben dem kinästhetischen auch das akustische Sinnessystem mit ein.56

Aufbauend auf dieser These werden nun im Folgenden zwei Formen der ästhetischen Bewegungserziehung erläutert, die das akustische Sinnessystem mit einbeziehen, wenngleich durch unterschiedliche Mittel.
Beiden obliegt jedoch das Ziel, den Schüler zu einem eigenen ästhetischen Ausdruck zu verhelfen, wie es auch das kreative Schreiben intendiert.

6.1 Bewegung und Musik

Die Idee dieses Konzepts beruht auf der Tatsache, dass Musik verschiedene Stimmungen im Menschen wachzurufen vermag. Stimmungen wiederum können durch Bewegungen zum Ausdruck gebracht werden.
Man versucht nun in der bewussten Verbindung von Bewegung und Musik, eine bewusste Wahrnehmung der Musik zu erzielen und ihre Umsetzung in Form von Bewegungen zu unterstützen. Dieser Ausdruck kann wiederum als Teil des Selbstausdruckes gesehen werden und soll schließlich zu einem besseren Körpergefühl, der Förderung der Kreativität und der Selbstakzeptanz führen.

Innerhalb des Unterrichts kann ein solches Konzept folgendermaßen umgesetzt werden:

Einführung

Zu Beginn werden Bewegungsformen, wie gehen, gleiten, hüpfen, springen oder laufen und deren unterschiedliche Möglichkeiten an Ausführung besprochen.
„Gehen“ kann durch große oder kleine schritte, durch vorwärts oder rückwärts laufen oder durch schnelle oder langsame Bewegungen verwirklicht werden.
Nachdem diese verschiedenen Möglichkeiten besprochen wurden, werden sie praktisch erprobt. Analog verhält es sich mit allen weiteren Bewegungsformen. Allerdings sei darauf verwiesen, dass das Gleiten besonderer Aufmerksamkeit bedarf, da es den Schülern weniger geläufig ist.57

Übung durch Spiel

Nachdem nun die einzelnen Formen der Bewegung besprochen und kurz erprobt wurden, sollen diese gefestigt werden. Dies geschieht mit Hilfe eines Spiels, bei dem ein Wortführer Anweisungen mit Hilfe des Satzes: „Der Chef sagt...laufen“ erteilt und alle anderen diese Bewegung ausführen müssen, bis der Wortführer stopp sagt.
Danach wird eine neue Ansage gemacht.58




Bewegungen zur Musik

Im nächsten Schritt werden die erprobten Bewegungen mit Musik verbunden.
Hierzu werden verschiedene Musikbeispiele vorgespielt, zu denen sich die Schüler nach den eingeübten Bewegungen bewegen sollen.

Daraufhin erhalten die Schüler ein Arbeitsblatt (siehe nächste Seite), auf dem sie angewiesen werden, sich für eine Bewegungsart zu entscheiden und ihre Entscheidung zu begründen.
Danach werden je zwei Hörbeispiele vorgespielt, die Schüler bewegen sich dazu und dürfen daraufhin ihre Bewegungsformen und die Gründe angeben.
Nachdem alle sechse Hörbeispiele vorgestellt wurden, sind die Schüler aufgefordert, den zweiten Teil des Arbeitsblattes in Gruppen zu bearbeiten.59

Diskussion im Sitzkreis

Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen werden daraufhin vorgestellt und diskutiert.

Ausweitung der Bewegungen auf Sprachstücke

Nachdem nun von den Schülern erörtert wurde, welche Kriterien zur Anwendung welcher Bewegung führt, sollte es den Schülern möglich sein, gesprochene Texte ebenfalls durch Bewegungen zu unterlegen.
Hierzu verliest die Lehrerin einen Text zweimal mit unterschiedlicher Akzentuierung, Lautstärke und Tempo.
Die Schüler bewegen sich wiederum danach und können Unterschiede anhand ihrer eigenen Reaktion feststellen.

Erstellung eigener „Bewegungsvorlagen“

Motiviert vom Text der Lehrkraft sind die Schüler nun aufgefordert einen Text zu unterschiedlichen Vorgaben, wie „Der Wind braust durch die Lüfte“, „Heute bin ich traurig, weil“ oder „Heute bin ich glücklich, denn“, verfassen.
Diese werden nach ihrer Erstellung wiederum von der Lehrkraft verlesen und auf ihre Wirkung hin überprüft.















6.2 Bewegung im Ausdrucksspiel

Anders als bei der Bewegung zur Musik, wird im Ausdrucksspiel versucht, Worte fantasievoll und selbstbestimmt in Gesten zu fassen.
Beim Ausdrucksspiel steht ein Text als Spielvorlage im Mittelpunkt. Dieser wird jedoch nicht, wie bei Theaterstücken üblich, gelernt und in seiner künstlerischen Intention geprobt.
Vielmehr steht der spontane und ungezwungene Ausdruck im Vordergrund, der durch den Text ausgelöst wird. Merkmale, die wiederum mit denen des kreativen Schreibens vergleichbar sind.60

Im Folgenden soll nun anhand einer Unterrichtseinheit das Ausdrucksspiel zum Text des selbstsüchtigen Riesen erläutert werden.

Hinführung:

Die Lehrkraft hat zu Beginn der Unterrichtseinheit das Klassenzimmer mit Tüchern, Pflanzen, Tieren und Obst dekoriert und simuliert somit einen wunderschönen Garten.
Den Schülern bleibt nun sich selbst überlassen, wo sie gerne sitzen möchten.
In einem ersten Schritt wird nun ein Abschnitt des Märchens des selbstsüchtigen Riesen verlesen.61

Rollenerarbeitung:

Die Schüler setzen sich nun in einem Sitzkreis zusammen und sammeln zusammen mit der Lehrkraft verschiedenen Rollen, die im Text vorkommen und die darüber hinaus noch gespielt werden könnten oder sollten. Anzumerken wäre hierbei, dass unter Rollen nicht nur Personen zu verstehen sind, sondern auch Bäume, ein Teil der Mauer, Wolken, Vögel, Hasen oder ähnliches.
Diese Methode verhilft den Schülern zu einer tieferen Textarbeit, die über das bloße Zuhören hinausgeht und in ihre Fantasie anregt.62

Spielvorbereitung:

An dieser Stelle werden Rollenwünsche geäußert und Rollen zugeteilt. Daneben wird die Kulisse entsprechend der Vorstellungen der Schüler verändert und gestaltet, sowie auch ihre Charaktere, die mit Hilfe von Tüchern und Accessoires verwirklicht werden.
Daraufhin platzieren sich die Schüler an ihren selbst gewählten Ausgangspunkten.63

Durchführung des Spiels:

Mit Hilfe eines Gongschlags, der das Spiel beginnen und enden lässt, beginnen die Schüler nun anhand des verlesenen Textes ihre Rollen auszuleben. Die Lehrkraft achtet dabei darauf, dass dafür genug Zeit bleibt, fordert jedoch auch von den Schülern, den Text zu interpretieren und in ihr Spiel aufzunehmen. Wenngleich die Schüler bei ihrem Spiel nicht sprechen, so verwirklichen sie ihre Kommunikation durch Gestik, Mimik oder Bewegungen.
Dies ist besonders für sprachlich schwache Schüler bemerkenswert.64
Reflexion:

Nachdem der Text bis zum Ede verlesen wurde und de Gong ertönte, legen die Schüler ihre Rollen ab und bilden erneut einen Sitzkreis. Das sich nun entwickelnde Kreisgespräch dient dazu, positive und negative Erlebnisse in den Rollen der Schüler zum Ausdruck zu bringen.
Die Lehrkraft hat ebenfalls die Möglichkeit, Beobachtungen zu artikulieren, sollte jedoch keinerlei Wertungen bezüglich der Ausübung der einzelnen Rollen machen.65

Schriftliche Verarbeitung:

Im Anschluss daran werden die Schüler aufgefordert, die Geschichte des selbstsüchtigen Riesen aus ihrer Perspektive, das heißt aus ihrer Rolle, die sie im Spiel verwirklichten zu erzählen.
Dies bewirkt zum Einen eine weitere Form der Verarbeitung ihres Spiels, und ermöglicht eine Textproduktion, die stärker als das bloße Erdenken von Geschichten mit dem persönlichen Ausdruck des Schülers verbunden ist.
Darüber hinaus erlernen die Schüler sowohl eine gestische, als auch schriftliche Übernahme einer besonderen Sichtweise, die ihnen auch beim Lesen von Kinderliteratur hilft, sich in die Handlung einzufühlen und diese stärker zu rezipieren, was wiederum zu einem bessern Textverständnis verhelfen kann.

Die produzierten Texte werden daraufhin in einem Klassenbuch, möglicherweise dem „Buch der tausend Möglichkeiten“ zusammengefasst und den Schülern für die Freiarbeitsphase als Lektüre zur Verfügung gestellt. Sie können daraus verschiedenen Sichtweisen der gleichen Handlung erkennen, was ihnen im weitesten Sinne auch in ihrem Sozialverhaltenhelfen kann.




7.Ideenkiste

Neben den bereits erörterten Unterrichtsvorschlägen soll an dieser Stelle kurzen, leicht durchführbaren Sprach- und Schreibspielen Raum gewährt werden, die weniger eine Verbindung kreativer Schreibprozesse mit ästhetischen Lernfeldern anstreben, als zu einem sichereren und angstfreieren Umgang mit der deutschen Sprache zu verhelfen.
Die Spiele und Schreibanregungen bedienen sich keinerlei Ordnung nach Schwierigkeitsgrad oder Altersstufe sondern sind, wie der Gliederungspunkt besagt als eine lose Ideensammlung zu verstehen.

Ausgangspunkt dieser Ideenkiste war folgende Grundlage:
In Untersuchungen zum Spracherwerb werden unter der Bezeichnung „Sprachspiele“ standardisierte Texte mit mehr oder weniger vorgegebenen Inhalten zusammengefasst, die in spielerischer und nicht primär instrumentell – kommunikativer Absicht geäußert werden.
Gerade die in vielerlei Hinsicht verunsicherten mehrsprachigen Kinder in multinationalen Grundschulklassen wollen wissen, was in einer Sprachgemeinschaft als „richtig“ und was als „falsch“ angesehen wird. Das Sprachspiel entlastet diese Kinder. Es bietet ihnen nämlich die Möglichkeit, vorerst keine eigenen Lösungen entwickeln zu müssen, sondern einem vorgegebenem Sprach- und Handlungsschema zu folgen. Wenn sie das Schema beherrschen, werden sie sich genauso kreativ damit auseinandersetzen wie Muttersprachler.

Sprachspiele und Spracherwerb

1. Beispiel: „Als Susi noch ein Baby war“
2. Beispiel: „Der Zauberspruch“
Dies ist ein Zauberkoffer.
In dem Koffer ist eine Schachtel,
in der Schachtel ist ein Zylinderhut,
in dem Zylinderhut ist ein Tuch,
in dem Tuch ist eine Dose,
in der Dose ist ein Buch,
in dem Buch steht eine Geschichte,
in der Geschichte ist ein Wort, das ich nicht verrate!

Wir packen das Wort in die Geschichte,
die Geschichte in das Buch,
das Buch in die Dose,
die Dose in das Tuch,
das Tuch in den Zylinderhut,
den Zylinderhut in die Schachtel
und die Schachtel in den Zauberkoffer!

Dieser Zauberspruch wird auch von Kindern verstanden, die noch kein Wort Deutsch verstehen; vorausgesetzt man packt den Zauberkoffer vor ihren Augen aus und anschließend wieder ein. Die Kinder sollen den Koffer anschließend mit Sprachbegleitung selbst ein- und auspacken. Hierbei lernen sie nebenbei und auf spielerische Art und Weise den Dativ in verschiedenen Genera (Auspacken) und den Akkusativ (Einpacken).66

Schule als Ort für Gedichte – Einige Anregungen:
Ein Gedicht hängt, groß auf ein Plakat geschrieben, als Gedicht der Woche im Klassenzimmer. Bei Gelegenheit findet ein zwangloses Gespräch statt.
Gedichte werden vorgelesen, von der Lehrkraft, von den Kindern, einzeln oder gemeinsam; dazu versetzt man sich vorstellungsmäßig in die Situation des lyrischen Ich, evtl. mithilfe einer Fantasiereise…
Zu Gedichten wird gemalt, Musik gemacht, ein Videoclip aufgenommen, und zwar so, dass das Besondere des jeweiligen Gedichtes zum Ausdruck kommt.
Es werden Lieder gesungen; die Texte werden mit der Vertonung verglichen (z. B.: Hat der schnelle Rhythmus etwas mit dem Inhalt zu tun?). Zu den Liedern wir getanzt mit Bewegungen, die den Inhalt zum Ausdruck bringen.
Die Kinder schreiben selbst Gedichte (z. B.: in Anlehnung an besprochenen Beispiele); sie tragen sie vor, gestalten ein Arrangement an der Wand, machen ein Gedichtbuch.
Die Kinder stellen Gedichte szenisch dar – als Schattenspiel (mit Leintuch oder mit ausgeschnittenen Figuren auf dem Overheadprojektor), als Pantomime, als Sprechszene mit Kostümierung.67


Schule als Ort für Rätsel – eine Anregung:

Ausgangspunkt der Rätselproduktion ist folgende Vorgabe:

Hoch wie ein Haus,
klein wie eine Maus,
stachlig wie ein Igel,
glänzend wie ein Spiegel
- was ist das?

(Kastanie)






Die Schüler sind nun aufgefordert, dieses Rätsel zu erraten.
Daraufhin erhalten sie Gelegenheit, getreu des Verfahrens des generativen Schreibens, eigene Rätsel produzieren.
Zuvor sollten jedoch gemeinsam Adjektive und Vergleichswörter gesammelt und in einer Liste notiert werden
Für die Produktion der Rätsel ist es darüber hinaus wichtig zu wissen, ob der unbestimmte Artikel feminin oder maskulin ist. Deshalb ist dieser Aspekt ebenfalls auf der Liste vermerkt.



Ein Spiel – verschiedene sprachliche Lernziele: Domino und Puzzle mit Variationen
Bei diesem Spiel wird die Sprache bzw. das Sprechen in doppelter Hinsicht aktiviert:
Zum einen müssen die Kinder miteinander reden, um Regeln auszuhandeln, Hinweise zu geben etc. .
Zum anderen sind sprachliche Elemente häufig Gegenstand des Spiels. Deshalb können sie im Sprachunterricht für Übungszwecke genutzt werden.
Beispiele:
Domino: Domino – Steine sind Rechtecke, die aus zwei Quadraten mit jeweils verschiedenen Zahlen, Wörtern, Bildern zusammengesetzt sind. Anlegen kann man jeweils einen Dominostein mit passendem Element.
Dieses Spiel eignet sich zum Vokabellernen bzw. zum Lesetraining für deutschsprachige Kinder, Konjugationen können geübt werden und im Allgemeinen die Grammatik.
Buchstabenpuzzle: Diese sind aus dem Erstleseunterricht bekannt. Man kann mit den Buchstaben beginnen, die die Wörter des Grundwortschatzes ergeben. Zur Differenzierung kann auch eine größere Menge an Buchstaben angeboten werden, aus denen die Kinder beispielsweise ganze Sätze bilden können.
Satzpuzzle
Textpuzzle: Dieses Spiel besteht aus Satzstreifen, die so zu einem Puzzle zusammengefügt werden müssen, dass ein sinnvoller Text entsteht. Dabei werden nicht nur Fähigkeiten zur Textproduktion gefordert, sondern auch zur Textgrammatik.
(Material s. Anhang)
Das Spielmaterial für die meisten Spiele kann und soll gemeinsam mit den Kindern hergestellt werden. Denn bereits die Herstellung des Materials ist eine sprachliche Übung.68


Spiele mit Sprachen:
– Mehrsprachiges Namenspiel
Dieses Spiel eignet sich als Kennenlernspiel bei einer neuen Klasse und es kann bereits im Kindergarten bis etwa zur 3. Klasse gespielt werden.
Verlauf:
Variante 1:
Die Kinder sitzen im Kreis, die Lehrerin gibt einem Kind einen Ball und sagt: „Ich heiße XY, und wie heißt du?“ Das angesprochene Kind antwortet mit dem gleichen Satz in seiner Muttersprache („Mi chiamo XY, come ti chiami?“) und gibt den Ball weiter. Das nächste Kind sagt den Satz in seiner Sprache, gibt den Ball weiter usw., quer durch die Klasse.
Bei diesem Spiel geht es primär darum, die sprachliche Vielfalt erlebbar zu machen.

Variante 2:
Die ganze Runde findet nur in einer Sprache statt. Jedes Kind spricht den Satz in dieser Sprache nach. Hier liegt der Schwerpunkt darauf, einen Satz in einer fremden Sprache einzuüben.69
„Farbensalat international“ – ein Spiel mit den Sprachen der Klasse
Dieses Spiel eignet sich sehr gut zu einer Auflockerungsphase mitten im Unterricht oder auch als Randaktivität zum Anfang oder Abschluss einer Unterrichtsstunde. Es fördert das genaue Hinhören und verschafft den Kindern Bewegung. Es eignet sich etwa ab der 1.Klasse.
Verlauf:
Zuerst übt man das Spiel auf Deutsch ein. Die Kinder befinden sich in einem Stuhlkreis. Jedem ist der Name einer Farbe zugeordnet; in größeren Gruppen kommt jede Farbe mehrmals vor. Ein Kind steht in der Mitte und ruft zwei Farben auf. Diese müssen möglichst schnell ihre Plätze wechseln. Dabei versucht das Kind in der Mitte einen Platz zu ergattern. Das Kind, das keinen Stuhl abbekommt, stellt sich wieder in die Mitte und ruft seinerseits zwei Farben auf.
Statt zwei Farben kann das Kind in der Mitte auch „Farbensalat“ rufen. In diesem Fall müssen alle ihre Plätze wechseln.
Eine leicht abgeänderte Variante stellt der „Farbensalat international“ dar. Hier findet dasselbe in einer anderen Sprache statt. Vorher werden die Namen der Farben an die Wandtafel geschrieben und die Aussprache mit den Kindern gut geübt.70

Schreibspiele:
Synonyme finden

Um den Grundwortschatz der Schüler zu erweitern und zu vertiefen, bietet sich das Finden von Synonymen an:

Aufgabe:
Finde Synonyme (das bedeutet andere, ähnliche Wörter für ein Wort).
Fahre mit dem Einkaufswagen im Schreibladen durch die Wörterregale und packe andere und ähnliche Wörter ein für:

schön
gut
schlecht
kalt
arbeiten
fahren
essen
Schule
Zimmer
Fernseher

Bilde dann mit den eingepackten Wörtern Sätze oder erzähle ganz kurze Geschichten.

Daneben besteht auch die Möglichkeit, literarische Textteile auszuwählen und darin Wörter zu unterstreichen, die durch ein Synonym zu ersetzen sind.71


Begriffe finden:

Hierbei sind die Schüler dazu angehalten, Oberbegriffe für Nomen zu finden:

Aufgabe:
Finde die passenden Begriffe.

Eine Tasse ist ein Gefäß.
Ein Apfel ist Obst.
Ein Tisch ist...
Eine Uhr ist...
Eine Katze ist...
Ein Buch ist...
Ein Mensch ist...
Die Erde ist...
Düsseldorf ist...
Ostereier suchen ist...

Darüber hinaus können auch Wörter gesucht werden, in denen stets ein bestimmter Begriff enthalten ist, wie zum Beispiel Tasche in Taschentuch oder Handtasche usw. 72

Lückentexte:

Wenngleich sich diese Art von Schreibspielen auf den ersten Blick keinerlei Kreativität zu entbehren scheint, so kommt es doch dabei auf die Aufgabenstellung an:

Verlangt diese, Lücken mit ungewöhnlichen und unerwarteten Wörtern zu füllen, so wird die Kreativität der Schüler doch angeregt und es wird Freude bereiten, sich die gefundenen Lösungen gegenseitig vorzulesen.73




















Kreativität als Gegenmittel
- eine abschließende Bemerkung

„Sie ist ein wichtiges Gegen- mittel, ein notwendiges Korrektiv in Gesellschaften, die dazu neigen, alles „durchzurationalisieren“, die die Spontaneität, die Irregularität und damit die Humanität unterdrücken, um den Plan und die Ordnung einzuhalten.“74

Dieses abschließende Zitat Hartmut von Hentigs könnte deutlicher und unverblümter nicht ausdrücken, welche Programmatik Kreativität in sich trägt.
Wenngleich den Schülern durch das Konzept des kreativen Schreibens kein politisch, gesellschaftlicher Umbruch gelehrt werden soll, so wird ihnen jedoch durch die Annerkennung des Fehlers, also der Irregularität als Fortschritt oder etwa der Ermutigung nach der Erforschung ihrer kulturellen Wurzeln, vor Augen geführt, dass ein sprachliches Ausbrechen aus der bestehenden Ordnung zu mehr Lustgewinn in der Zweitsprache führen kann.
Die Arbeit hat gezeigt, dass durch die Vielzahl an Möglichkeiten, die das kreative Schreiben bietet, für jeden Lerner der deutschen Sprache ein ganz eigener und unkonventioneller Zugang zur Sprache geschaffen werden kann.
Darüber hinaus wurde besonders versucht, Verknüpfungen des kreative Schreibkonzeptes mit ästhetischen Lernfeldern zu schaffen, um den Schüler in seiner Ganzheit auf unterschiedlich sensorische Weise zu führen.


Zusammenfassend ließe sich feststellen, dass diese Hausarbeit in seiner letzten Instanz versucht hat, der ursprünglichen Definition von Kreativität, von creare stammend, näher zu kommen, indem sie nicht versuchte, dem Schüler auswendig zu lernende Regeln vorzugeben, sondern ihm Impulse auf dem Weg zur Verwirklichung seiner eigenen ganzheitlichen Identität mit eigenen Denk- und Verhaltensweisen gab.

Dienstag, 30. Mai 2006

Mind-Mappings im Unterricht

Anwendung von Mind-Mappings im Unterricht

1.Name und Begriff

Bei Mind-Mapping handelt es sich um eine bekanne Kreativitätstechnik die vom Engländer Tony Buzan in den 70er Jahren entwickelt und seither ständig ausgebaut wurde. Bei dieser ganzheitlichen Arbeitsmethode wird der Denkprozess durch die grafische Visualisierung der Gedanken unterstützt.
Über die richrige Übersetzung des Begriffes Mind-Mapping als das Verfahren und Mind-Map als das Produkt sind beim Lesen mehrerer Bücher zum Thema die verschiedensten Angaben und Meinungen zu finden. Während Heinz Mandl und Frank Fischer in ihrer Literatur bei einem Mind-Map von einem Begriffsnetz sprechen, bevorzugen es der Mind-Mapping-Infocenter- Schweiz und der Autor Mogens Kirckhoff die Begriffe Mind-Mapping und Mind-Map im Original u übernehmen und entscheiden sich gegen eine Übersetzung.
Die Begründung von Kirckhoff dazu ist, dass schon alleine das Wort „mind“ vollkommen verschiedene und doch wesensverwandte Elemente des mentalen Komplexes beinhaltet: Inspiration, Geist, Gedächtnis, Erinnerung, Gedankenarbeit , Ideenspeicher und Ideenquelle sind nur einige Beispiele, welche aber aufzeigen, dass „mind“ in diesem Fall nicht mit einem einzigen Wort zu übersetzen ist.

2. Leistung von Mind Maps

Die Mind-Map-Methode kann bewirken, dass die gesamte Kapazität der geistigen Fähigkeiten eines Menschen individuell, umfassend und schnell genutzt werden. Das Arbeiten mit Mind Maps schärft nicht nur das Gedächtnis, sondern verschafft auch einen besseren Überblick der zu betrachtenden Themen. Das verwenden von Schlüsselwörtern hilft Zeit zu sparen und eröffnet die Möglichkeit verborgene Ideen an das Tageslicht zu bringen, da man bei Mind Mapping die Gedankengänge sukzessive aufeinander aufbauen kann und das Mind Map (Gedankennetz) immer wieder überarbeitet oder erweitert werden kann. Mind Maps erweisen sich daher als sehr nützlich bei der Entwicklung von Lösungen für Probleme und tragen zu einer Effizienzsteigerung bei. Auch darf nicht vergessen werden, dass diese Methode ebenso viel Spass bereiten kann und sowohl bei den kleinsten Alltagsaufgaben als auch bei komplizierten Projekten eingesetzt werden können.

3. Anwendungsmöglichkeiten

Mit einem Mind Map können Gedanken aller Art, Ideen und Informationen sowie Problemstellungen ganz unterschiedlichen Umfangs methodisch festgehalten werden.
Die Methode eignet sich hervorragend zum planen und organisieren verschiedenster Dinge und Veranstaltungen oder zur optimalen Erstellung einer Checkliste oder einer To-Do-Liste. Ebenso beim Führen von Interviews und Protokollen oder auch bei Zielformulierungen für die Arbeit, die Schule oder die Universität erweist sich Mind Mapping als große Zeitersparnis und Erleichterung. Die Methode dient darüber hinaus dem Brainstorming und der Ideenfindung, wobei Ideen nicht nur aufgelistet sondern auch strukturiert werden. Bei Mind Mapping handelt es sich um eine Methode des kreativen Problemlösens und eine Möglichkeit Wissen besser behalten zu können.
Die Anwendung von Mind-Maps muss sich nicht nur auf eine Person beschrenken. Man kann sich dieser Methode auch in der Gruppe zu mehreren bedienen, da das Mind-Mapping gerade beim Aufeinandertreffen unterschiedlichster Meinungen eine übersichtliche und konstruktive Kommunikation fördert.


3.1 Anwendung in der Schule

Unabhängig vom Fach spricht ein Lehrer, der nicht unterbrochen wird, in einer Doppelstunde zwischen 5000 und 9000 Wörtern. Dabei führt er ungefähr 24 neue Tatsachen ein und versucht seinen Schülern etwa sechs Kerngedanken zu vermitteln. Der Rest des Vortrags sind vermutlich Erläuterungen, Veranschaulichungen, Beispiele, Wiederholungen, sprachliches Füllmateriel und nicht selten auch Überflüssiges und Abschweifungen vom Thema. Für den Lehrer ist diese Art der Stoffvermittlung natürlich übersichtlich und verständlich, da er jederzeit eine klare Struktur seiner Stunde vor Augen hat. Er ist sich bewusst darüber, was ein Kernsatz, eine Abschweifung oder ein Beispiel ist.
Für Schüler, die das Thema zum ersten Mal erläutert bekommen ist diese Strukturierung allerdings nicht offensichtlich, sodass sie oft damit überfordert sind, zu verstehen was die Lehrkraft mit der jeweiligen Aussage beabsichtigt und gleichzeitig das Gehörte mitzuschreiben.
Aus Gewohnheit oder auch aus Unwissenheit sind die meisten Schüler der Meinung, dass die effektivste Methode der Mitschrift das Lineare Mitschreiben sei, da sie auf diese Weise möglichst alles mitprotokollieren können. Da die Vor- und Nachteile dieser Methode bereits unter Punkt 5 erläutert sind, brauchen diese hier nicht weiter erwähnt werden.
Speziell zu unserem vorliegenden Fall ist anzufügen, dass man bei einer linearen Mitschrift nicht darum kommt, sich nach der Schule noch mal hinzusetzen und aus dem Mitgeschrieben die wichtigsten Punkte und Kerngedanken herauszufiltern und das Überflüssige und Unnütige herauszustreichen.
Diese Zusatzarbeit muss allerdings nicht sein, wenn man die Mind-Map-Technik kennt und anwendet. Dem Schüler spart dies viel Zeit und Stress. Wendet man die Methode gekonnt und gezielt an, so lernt man in kürzester Zeit dem Vortrag des Lehrenden Schlüsselwörter und Kerngedanken zu entnehmen, die dann in Form eines Mind-Maps strukturiert auf nur ein Blatt Papier gebracht werden können. Dadurch, dass der Lernende den Vortrag nur mit gezilten Schlüsselwörtern mitprotokolliert, bleibt mehr Zeit um sich auf das Wesentliche des Gesagten zu konzentrieren. Diese visuelle Methode „Mind-Map“ ermöglicht es Schülern, großen Lernstoff auf wenig Raum so zu verschlüsseln, dass das Gehirn ihn sich gut und lange merken kann.
Für den weniger visuellen Lerntyp, gibt es nach einer linearen Mitschrift immer noch die Möglichkeit, diese auch nachträglich noch in ein Mind-Map umzusetzen.

3.2 Anwendung im Deutschunterricht

Gerade im Deutschunterricht scheint die Anwendung der Mind-Map-Technik auf den ersten Blick problematisch, wenn man zum Beispiel an eine Grammatik- oder Literaturstunde denkt.
Es kommt allerdings nur auf die Qualität der Vermittlung dieser visuellen Lernmethode an um alle nur erdenklichen Unterrichtsstunden protokollieren zu können.
Bei einer zu behandelten Literatur, könnte zum Beispiel ein ganzer Roman hinsichtlich seiner Charakteristiken, Figurenkonstellationen oder der vorliegenden Erzähltechnik mit einem Mind-Map auf nur einer einzigen Seite strukturiert und erörtert werden. Diese Technik kann auch bereits in der Grundschule eingeführt werden, um das Textverständnis von Sachtexten zu fördern. Die Kinder brauchen für diese Lernmethode noch nicht mal schreiben können, da sie das Mind-Map auch in Form von gemalten Bildern und Symbolen anfertigen können. Auch bei den Lernwörtern der Grundschule findet die Methode sowohl bei der Wiederholung als auch bei der Einführung bestimmter Themenbereiche ihren Einsatz. Die Schüler könnten zum Beispiel alles was ihnen zum Thema Tiergarten einfällt in einem Mind-Map vermerken.
Egal in welcher Jahrgangsstufe können auch Grammatikstunden über Satzglieder oder Wortarten durch dieses Verfahren strukturiert werden. Bei Kurzvorträgen und Referaten können sowohl die Mitschrift der Rezipienten als auch die Vorbereitung des Referenten in Form eines Mind-Map dargestellt werden. Diese Visualisierung des vortragenden Schülers könnte auch als Tafelbild, Folie oder Poster als Vortragsmedium seine Anwendung finden.
Nicht zuletzt können auch Aufsätze, Protokolle oder Problemerörterungen zunächst durch ein Mind-Map strukturiert, gegliedert und vorbereitet werden bevor man die gesammelten Schlüsselwörter in einen zusammenhängenden und flüssigen Text verwandelt.

Gerade der Deutschlehrer sollte seinen Schülern die Möglichkeit des Mind-Mapping als Mitschriftmethode vermitteln, damit diese in allen Schulfächern gezielt angewendet werden kann. Die Methode soll allerdings eine Möglichkeit und keine Vorschrift sein, da dieses Verfahren durchaus nicht alle Lerntypen anspricht. Der Lehrer ist dafür zuständig diese Lerntechnik vorzustellen während der Schüler für sich entscheiden muss ob sie für ihn geeignet ist. Wenn ja, dann wird man dies daran erkennen können, dass die Schüler nicht nur in der Schule das Verfahren anwenden, sondern auch bei Hausaufgaben und Spickzettel.

Als Beleg, dass die Mind-Map-Technik auch im Deutschunterricht seine Anwendung finden kann, dient der Anhang „Mind-Mapping in der Schule“.



4. Herkömmliche Aufzeichnungssysteme und Mind Mapping im Vergleich

4.1 Herkömmliche Aufzeichnungssysteme

Satz- und Erzählstil, Listenstil und gliederungsähnlichen /numerische alphabetische Stile sind als herkömmliche Notier- und Aufzeichnungssysteme der modernen Mind-Mapping-Methode gegenüberzustellen.
Diesen allesamt linearen Aufzeichnungssysteme fehlen im Vergleich zu einem mind Map nicht nur die Möglichkeit einer visuellen Gestaltung mit Bildern und Farbe , sondern auch ein auf den ersten Blick überschaubares Gesamtbild. Bei den herkömmlichen Systemen fällt es auch schwer, ein räumliches Bewusstsein zu entwickeln. Nicht zu vergessen ist, dass spontane Assoziationen aufgrund des fehlenden Überblicks kaum geknüpft werden können.

4.2 Vorteile von Mind-Mapping als kreative Aufzeichnungsmöglichkeit

Die Zentral- oder Hauptidee wird bei einem Mind-Map deutlich herausgestellt indem sie farblich und/oder graphisch hervorgehoben wird und in der Mitte des Blattes angeordnet wird, wodurch sie auf den ersten Blick ins Auge des Betrachters fällt.
Die relative Bedeutung einer jeden Idee tritt sinnfällig in Erscheinung. Wichtige Ideen oder Assoziationen zum Thema befinden sich in der Nähe des Zentrums, während weniger wichtige Ideen oder weitere Assoziationen zu einer Idee sich immer weiter dem Rand des Blattes nähern. Die Struktur eines Mind Map ermöglicht im Vergleich zu den herkömmlichen Aufzechnungssystemen, dass neue Informationen und Ideen leicht und ohne Streichungen die die Übersichtlichkeit stören am richtigen Zugehörigkeitsort angefügt werden können.
Als Ergebnis dieser Methode macht sich bemerkbar, dass der Errinerungsprozess und die Wiederholungstechnik effektiver und schneller werden.
Als weiterer Vorteil dieser Methode ist zu erwähnen, dass kein Mind-Map dem anderen gleicht, da sie sich nach Grafik, Form und Inhalt deutlich unterscheiden.
Das Erlernen von Mind-Mapping eignet sich hervorragend zum Selbststudium. Dieses kreative Aufzeichnungssystem ist nach einer kurzen Einführungszeit sofort und erfolgreich einsetzbar.
Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Mind-Mapping eine kostengünstige Methode ist, da man dazu lediglich Papier, Bleistift und gegebenenfalls einen Radiergummi benötigt, da man je über das wichtigste Instrument, den eigenen Kopf, bereits verfügt.


5. Anleitung zum richtigen Erstellen eines Mind-Map

5.1 Struktur eines Mind-Map

In einer kreativen Phase arbeitet das Gehirn so schnell, dass ein Mensch gar nicht in der Lage ist, all diese Bilder, Verknüpfungen und Gedanken vollständig und verständlich formuliert festzuhalten, da Menschen nicht in komplexen Formulierungen, sondern in Stichworten und assoziierten Bildern denken.
Ein Mind-Map entspricht genau dieser Art des Denkens, da ein solches organisiertes und methodisches Begriffsnetz aus strukturierten Schlüsselwörtern besteht.

Zum Erstellen eine Mind Maps ist es sehr empfehlenswert das leere Papier quer zu legen, da ein Mind Map immer im Zentrum des Papiers begonnen wird und sich über die gesamte Blattfläche ausbreitet.
In den Mittelpunkt des Papiers wird immer das zentrale Hauptthema geschrieben und mit einem Kreis umschlossen, damit es jederzeit auf den ersten Blick zu erkennen ist. Von diesem Hauptthema gehen dann Äste weg, die das Thema in seine einzelnen Bereiche gliedert und auffächert.
Das somit angelegte Grundmuster eines Mind Map wird nun durch die mit dem Thema verbundenen Assoziationen, Ideen und Stichworten ausgebaut, wobei diese von nun an als Schlüsselworte bezeichnet werden. Jedes am Ende eines Astes platzierte Schlüsselwort ist der Aufhänger für einen Gedankenkomplex oder einen einzelnen Gedanken. Ein Schlüsselwort reicht vollkommen aus, um die damit verbunden Gedanken wieder ins Gedächtnis rufen zu können.
Es ist empfehlenswert als Schlüsselwort einzelne Substantive zu verwenden, wobei sich gegebenenfalls auch Adjektive und Verben eignen.
Das menschliche Gehirn assoziiert jedes Substantiv unmittelbar und spontan mit bestimmten Gedankenbildern, welche jene Assoziationen widerspiegeln, die das Gehirn zu diesem jeweiligen Schlüsselwort gespeichert hat.

Die vom eingekreisten Thema ausgehenden Hauptäste und die dazugehörigen Schlüsselwörter verzweigen sich anschließend in Zweig, die sich wiederum in weitere Nebenzweige verästeln können. Ein vom zentralen Thema ausgehender Hauptast mit allen seinen Zweigen und Nebenzweigen bezeichnet man als einen Komplex (siehe Anhang 1).
Dringend zu beachten ist, dass sich die zu den jeweiligen Ästen gehörenden Schlüsselwörter von innen nach außen vom Allgemeinen zum Speziellen steigern. Verdeutlichen kann man dies entweder durch unterschiedliche Färbung der Äste oder dadurch, dass die Äste zum Rand hin immer dünner und feiner gezeichnet werden.
Betrachtet man ein fertiges Mind-Map als Gesamtbild, so erinnert es an einen von oben betrachteten Baum (siehe Anhang 2).

Die Länge der einzelnen Äste hängt vom jeweiligen Hauptthema ab. Man kann allerdings ein harmonisches Gesamtbild erzeugen, indem kein Ast die Länge des dazugehörigen Schlüsselwortes übersteigt.
Sollte man zwischenzeitlich feststellen, dass das verwendete Papier nicht ausreicht, so lässt sich das Begriffsnetz beliebig durch ankleben von weiteren Blättern erweitern.
Abhängig vom Thema ist es auch empfehlenswert von vornherein mit DIN A3 Papier zu arbeiten.

5.2 Grundregeln für das Erstellen eines Mind-Map

Bereits erwähnt wurde, dass sich als Schlüsselworte vor allem Substantive eignen, die mit etwas Übung sehr prägnant formuliert werden können. Auf diese Art kann man zum einen Zeit und Platz sparen und zum anderen wird das kreative Denken gefördert.

Als Schriftart sollten große Blockbuchstaben gewählt werden, da es für den Überblick über die Inhalte wichtig ist, dass alle Begriffe übersichtlich, schnell und leicht zu lesen sind. Dies soll auch gegeben sein, wenn z.B. mehrere Personen das Mind-Map aus verdrehter Position betrachten.

Hat man einmal das richtige Gefühl für Mind-Mapping entwickelt, macht es Spass, mit der Methode zu experimentieren und sie zu verfeinern.
Neben den Schlüsselwörtern eignen sich als gezielte Hinweise auch Symbole oder Bilder die problemlos eingefügt werden können. Ob es sich dabei um gängige Symbole oder Phantasiezeichen handelt spielt keine Rolle, solange der Betrachter die Bedeutung des jeweiligen Symbols kennt. Es erweist sich als eine Hilfe, wenn die Symbole gegenüber den Ästen und Buchstaben farblich abgehoben werden.
Tony Buzan schlägt zum Beispiel vor, das zentrale Thema zur besseren Hervorhebung als Bild oder Zeichnung darzustellen.

6. Rechte und Linke Gehirnhälfte

Das nähere Betrachten der Funktionen der rechten und der linken Gehirnhälfte gehört zu den wissenschaftlichen Aspekten, die der Mind-Mapping-Methode zugrunde liegen.

Das menschliche Großhirn verfügt über zwei Zentren. Während über das rechtsliegende Zentrum kreative Kräfte und Emotionen gesteuert werden, ist das Zentrum auf der linken Seite für Rationalität und Logik zuständig. Wissenswert ist auch, dass die rechte Körperseite von der linken Gehirnhälfte und die linke Körperseite von der rechten Gehirnhälfte gesteuert wird.
Beide Großhirnhälften sind mit speziellen Funktionen und Stärken versehen (siehe Anhang 3). Jedes der beiden Zentren arbeitet zum einen vollkommen unabhängig von der anderen Hälfte. Zum anderen sind beide Gehirnhälften über das „Corpus callosum“, einen dicken Nervenstrang, miteinander verbunden, so dass das Faktenwissen mit dem kreativ-emotionalen bereich gekoppelt wird und ebenso umgekehrt.
Im Gegensatz zu vielen Situationen im Alltag werden beim Mind-Mapping beide Zentren wechselseitig aktiviert.

6.1 Die rechte Gehirnhälfte

Die visuellen Wahrnehmungsfunktionen sind mit der rechten Gehirnhälfte verbunden, welche alle Bilder registriert, die mit dem Auge aufgenommen werden. Diese Bilder können gegebenenfalls ein ganzes Leben lang gespeichert werden.
Die rechte Gehirnhälfte zeigt sich auch für die menschlichen Gefühle verantwortlich. Egal ob es sich dabei um Vorlieben, Antipathien, Inspirationen, momentanes Wohlsein oder Unwohlsein und vieles mehr handelt, all diese Gefühle, die zum Teil aus tiefer liegenden Hirnregionen stammen, werden im rechtsliegenden Zentrum zu wahrnehmbaren Informationen verarbeitet.
Letztendlich sind über diese Gehirnhälfte auch die kreativen Fähigkeiten zu aktivieren. Das rechte Zentrum wird beansprucht, wenn die Phantasie gefordert ist oder wie bei einem Mind-Map eine Sache im Überblick betrachtet wird.

6.2 Die linke Gehirnhälfte

Die Aufgabe der linken Gehirnhälfte ist es Sprachen und Daten zu speichern. „Wir eine EDV-Anlage sammeln wir Zahlen, Formeln, Ergebnisse von Analysen und erlernen Techniken. Das Linkshirn arbeitet logisch. Es hilft Schlüsse ziehen, es bewertet Sachverhalte, misst die Zeit und kombiniert Fakten. All das geschieht unter Ausschluss emotionaler und phantasievoller Kräfte.“
Erlerntes wie Fach- und Schulwissen, handwerkliche Fähigkeiten, mechanische Abläufe wie zum Beispiel Computer-Schreiben, Rad- und Autofahren sowie das Erlernen von Sportarten jeglicher Ar werden über die linke Gehirnhälfte gespeichert und zu einem erheblichen Teil auch gesteuert und koordiniert.
Nicht zuletzt befinden sich im Linkshirn auch die wesentlichen Zentren für die Beherrschung der Sprache und des Lesens und somit die nötigen Grundlagen zur sprachlichen Kommunikation.

7. Schluss

Abschließend ist zu erwähnen, dass diese Hausarbeit nicht nur wesentliche Informationen rund um das Thema „Mind-Mapping“ enthält und weitergeben soll, sondern auch dazu anregen soll diese Technik selbst für sich zu entdecken und auszuprobieren um sie dann auch erfolgreich im Allag, im Beruf oder in der Schule erfolgreich einsetzen zu können.
Ich selbst werde es in meiner späteren Laufbahn als Grundschullehrerin erwägen, den Kindern so früh wie möglich diese Lerntechnik zu vermitteln und sie mit ihr vertraut zu machen.
Ob sich die Schüler dann letztendlich für „Mind-Mapping“ oder eine andere Lerntechnik entscheiden bleibt dann allerdings ihnen überlassen.
Jeder sollte selbst herausfinden was für ihn das beste Lerninstrument ist. Mir als Lehrerin bleibt lediglich in dieser Hinsicht lediglich die Funktion den Kindern verschiedene Wege und Möglichkeiten für das selbstständige Lernen zu vermitteln und anzubieten.

Märchen

MÄRCHEN: Hintergrund und praktische Anwendung in der Grundschule

1. Name und Begriff

Die Begriffe „Märchen“ und „Märlein“ sind Verkleinerungsformen zu „Mär“. Dieses Wort wurde von dem mittelhochdeutschen Begriff „maere“ abgeleitet und ist mit Kunde, Bericht, Erzählung, Nachricht oder Gerücht zu übersetzen. Demnach bezeichneten Märchen ursprünglich eine kurze Erzählung.
Unter Märchen versteht man im Allgemeinen eine Gattung phantastisch-wunderbarer Erzählungen die besonders für Kinder geeignet sind.
Irreale Gestalten und wunderbare Begebenheiten gelten als bestimmende Elemente der Handlung, wobei Naturgesetze wie historisch-soziale Determinanten weitgehend aufgehoben werden.
Echte Märchen beruhen auf einer mündlichen Erzähltradition und sind demnach keinem bestimmten oder ursprünglichen Verfasser zuzuordnen. In jeder Gruppe, in der Märchen mündlich überliefert werden, sammelt sich ein bestimmter kollektiver Fundus von Märchen bzw. Volkserzählungen an, welcher durch den jeweiligen Erzähler auf seine eigene Art und Weise weitergegeben wird.
Märchen dienten früher jedoch nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Lebensbewältigung, Identifikationsobjekt, Wunschdichtung oder Konfliktlösung. Es ist dadurch nur verständlich, dass märchen- und sagenhafte Erzählungen besonders in der Unterschicht als Unterhaltungsstoff und Aufheiterung für das alltägliche Leben verbreitet waren.
Grundsätzlich unterscheidet man Volksmärchen und Kunstmärchen. Jede Nationalliteratur weist sowohl Volksmärchen als auch Kunstmärchen auf. Darüber hinaus lässt sich auch nach verschiedenen Form- und Inhaltskriterien unter anderem zwischen Schwank-, Legenden-, Zauber-, Tier- und Novellenmärchen unterscheiden.
Im Deutschen wird der Begriff Märchen besonders durch die Volksmärchen-Version der Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm bestimmt. Diese Sammlung enthält allerdings auch Geschichten, die bei genauerer Betrachtung keine Märchen, sondern Fabeln, Legenden oder Schwänke sind.


Während das Märchen noch im 18. Jahrhundert der Unterhaltung und der Belehrung der ganzen Familie diente, so steht der Begriff heute im populären Sprachgebrauch für die für Kinder geeignete fiktionale Literatur im Allgemeinen. Zu diesen zählen z.B. auch Gullivers Reisen, Pippi Langstrumpf und Micky Maus.


2. Geschichtliche Entwicklung

2.1 Alter und Herkunft des Märchens

„Gab es Märchen im engeren oder im weiteren Sinn schon in vorgeschichtlicher Zeit? Darüber sind nur Vermutungen möglich, sie gehören nicht zur Geschichte, sondern zur Theorie des Märchens. In der Literatur des Altertums hingegen finden sich Spuren des Märchens.“
Selbst die Märchenforschung kann dem Märchen kein eindeutiges Alter und keine exakte Herkunft zuordnen. Die Vermutungen der Märchenforscher reichen von der Steinzeit bis hin zum Spätmittelalter und von Ursprüngen in Indien, Babylon oder Kreta bis nach Ägypten. Die Vertreter der Völkerpsychologie hingegen erheben den Anspruch, dass Märchen zwangsläufig und überall entstünden, sobald sich die Menschen eine magische Naturvorstellung, welche einer niedrigen Kulturstufe entspricht, aneignen.
Obwohl sich demnach der genaue Beginn der Geschichte des Märchens nicht feststellen lässt, so existieren jedoch aus dem alten Ägypten erhaltene Schriftstücke mit Erzählungen, die zumindest einen märchenhaften Ablauf und die in Märchen häufig vorkommende Motive aufweisen. Diese Spuren eines Märchens sind z. B. in der 1250 v. Chr. aufgeschriebenen Geschichte der beiden Brüder „Anup“ und „Bata“ wieder zu finden. Die Hindernisflucht, warnende Tiere, Unheil prophezeiende Frauen, das Todeszeichen, das Lebenswasser oder das verborgene Leben zählen heute noch zu den beliebten Motiven der Volksmärchen.
Hierzu fügt Max Lüthi an, dass solche Anklänge jedoch kein Beweis sind, dass das Volksmärchen im engeren Sinn bereits im alten Ägypten existierte. Die auf Papyrus verfassten Geschichten seien kein tatsächliches Volksmärchen, sondern waren für die Schicht der Gebildeten bestimmt. Die Geschichte der Brüder Anup und Bata entspräche eher einem Pharaonenmythos, da die Namen der beiden Bauern von der hundsköpfigen Göttin Anubis und des stierköpfigen Gottes Bata abzuleiten sind.
Während man bis hin zur überlieferten Literatur aus dem Mittelalter nur sagen kann, dass sie lediglich märchenhafte Elemente enthält, so offenbaren sich die Hinweise auf existierende Volksmärchen erst im 16. Jahrhundert zusätzlich durch immer häufiger auftretende Märchennamen. Z.B. erscheinen erstmalig Titel wie „Aschengrüdel“ und andere Anspielungen auf das „Aschenbrödel“.
Als Hauptereignis in der Geschichte des Märchens ist allerdings das Erscheinen der Sammlung „Ergötzlichen Nächten“ („Le piacevoli notti“, Venedig 1550 und 1553) von Giovan Francesco Straparolas im 16. Jh. zu nennen. Diese Sammlung enthält 73 Erzählungen, welche überwiegend aus mündlichen Überlieferungen stammen und von denen 21 als Märchen bezeichnet werden können. Einige Beispiele aus diesem Gesamtwerk sind die Geschichten vom Zauberlehrling, vom Drachentöter, vom dankbaren Toten oder die Geschichte vom Tierprinzen.




2.2 Erste Zeugnisse des Märchens in Deutschland

Ein frühes Zeugnis für das Märchen in Deutschland ist die Erzählung vom Bärenhäuter aus dem 17. Jh., die in Grimmelshausens „Simplicianischen Schriften“ (ca. 1668) zu finden ist und als Zaubermärchen klassifiziert werden kann.
Die Geschichte des Märchens wird im 18. Jh. in Deutschland vor allem durch die Autoren C.M. Wieland und J.K.A. Musäus vorangetrieben.
„Im Jahrhundert der Aufklärung waren Feengeschichten, die sich öfters ironisch über sich selber lustig machten, und orientalische Märchen, für welche man sich aus kultureller Wissbegierde interessieren durfte, Mittel, das geheime Bedürfnis nach Wunderbarem und Phantastischem zu befriedigen und doch zugleich den skeptischen, spöttischen, spielfreudigen Verstand auf seine Rechnung kommen zu lassen. Beide Elemente sind noch in Wielands Märchen und Feengeschichten („Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva“, „Idris und Zenide“, „Pervonte oder die Wünsche“, „Oberon“ u.a.) wirksam. Von Abneigung gegen die ganze „Feerei“ erfüllt, greift der Weimarer Pagenhofmeister und Gymnasialprofessor Johann Karl August Musäus (1735-1787) auf die mündliche Überlieferung, die sich in einigen seiner „Volksmärchen der Deutschen“ (1782/86) durch das idyllisierende und satirisierende, breit ausladende Gewand hindurch deutlich genug bemerkbar macht; so in „Die drei Schwestern“, der Geschichte von den Tierschwägern, die sogar von Musäus aus ins Volk zurückgewandert ist.“
Das Märchen wurde mit der Zeit auch zunehmend als didaktisches Mittel zur Exemplifizierung biblischer bzw. religiös-moralischer Sachverhalte in der Kirche eingesetzt. Auf diese Weise wurde das Märchen, als Diminutiv, zum Begriff für eine fiktive, jeden Wahrheitsgehalt entbehrende Erzählung.
Als Konsequenz dieser Entwicklung sprachen sich vor allem die Aufklärer gegen das Märchen aus. So schreibt Wieland 1786 in der Vorrede zu „Dschinistan“: „Ammenmärchen, im Ammenton erzählt, mögen sich durch mündliche Überlieferung fortpflanzen, aber gedruckt müssen sie nicht werden.“
Die Brüder Grimm sind dafür verantwortlich, dass das lange Zeit von den Aufklärern verachtete Volksmärchen im 19. Jahrhundert buchfähig wurde. Mit der Sammlung „Kinder- und Hausmärchen „ der Brüder Grimm stieg das Märchen aus der Kinder- und Gesindestube ins gedruckte Hausbuch auf. Nach diesem Vorbild wurden Volksmärchen bald auch in anderen Ländern aufgezeichnet und veröffentlicht. Dies bedeutete jedoch zugleich dass das gedruckte Märchen immer mehr an die Stelle des von Generation zu Generation, von Erzähler zu Erzähler mündlich überlieferten Märchen trat.

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2.3 Die Auswirkung der Brüder Grimm auf die Geschichte des Märchens

Leben und Werk der Brüder Jakob (1785-1863) und Wilhelm (1786-1859) Grimm stehen in einem engen Zusammenhang. Schon während ihres Jurastudiums interessierten sich beide für mittelhochdeutsche und althochdeutsche Literatur und arbeiteten zunächst als Bibliothekare. Beide erlangten später den Titel „Professor für Altertumswissenschaft“.
Ihr wohl bekanntestes gemeinsames Werk ist die Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“
(2 Bände, 1812/1815). Die Sprachhistoriker und Märchen- und Sagenforscher Grimm sammelten und veröffentlichten Märchen erstmals und gaben damit dem deutschen Volksmärchen ein Bild, welches bis heute die Gattung bestimmt.
Der Anfang der Sammeltätigkeit der Brüder Grimm ist im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Romantik zusehen, die Herders Gedanken über „Natur-„ und „Volkspoesie“ aufgenommen hatte. Dies hatte zur Folge, dass Volkspoesie in absehbarer Zeit zur „Nationalpoesie“ wurde und die Werke der Brüder Grimm eine starke ideologisch-politische Wirkung in Bezug auf den Gedanken einer einheitlichen deutschen Nation nach sich zogen. Der gesellschaftlich-politische „Erwartungsraum“ der dadurch aufkam, wurde von den Brüdern Grimm mit ihren „nationalen Märchen- und Sageneditionen“ und besonders mit der „Deutschen Mythologie“ von 1835 ausgefüllt.
Während Jacob Grimm zum größten Teil die Arbeit der Sammeltätigkeit und Materialaufnahme übernahm, lag der Hauptanteil der Arbeit an Wilhelm Grimm, der die endgültige Textfassung erstellte und als eigentlicher Erfinder der Märchensprache gilt.
In der Vorrede zu ihren Märchen formulierten die Brüder den Grund und die Absicht der Veröffentlichung der Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“: „…Darum geht innerlich durch diese Dichtungen jene Reinheit, um derentwillen Kinder so wunderbar und selig erscheinen: Sie haben gleichsam dieselben blaulichweißen makellosen und glänzenden Augen, die nicht mehr wachsen können, während die anderen Glieder noch zart, schwach und zum Dienste der Erde ungeschickt sind. Das ist der Grund, warum wir durch unsere Sammlung nicht bloß der Geschichte der Poesie und Mythologie einen Dienst erweisen wollten, sondern es zugleich Absicht war, dass die Poesie selbst, die darin lebendig ist, wirke und erfreue, wen sie erfreuen kann, also auch, dass es als ein Erziehungsbuch diene. Wir suchen für ein solches nicht jene Reinheit, die durch ängstliches Ausscheiden dessen, was Bezug auf gewisse Zustände und Verhältnisse hat, wie sie täglich vorkommen und auf keine Weise verborgen bleiben können, erlangt wird und wobei man zugleich in der Täuschung ist, dass was in einem gedruckten Buche ausführbar, es auch im wirklichen Leben sei. Wir suchen die Reinheit in der Wahrheit einer geraden, nichts Unrechtes im Rückhalt bergenden Erzählung. Dabei haben wir jeden für das Kinderalter nicht passenden Ausdruck in dieser neuen Auflage sorgfältig gelöscht.“
Einige Beispiele der in den KHM veröffentlichten Märchen sind Hänsel und Gretel, Dornröschen, Das tapfere Schneiderlein, Rumpelstilzchen u.v.m.

Auf die Brüder Grimm geht das Missverständnis zurück, dass Märchenerzählen eine Sache für Kinder sei, bzw. für Großmütter, die „Kinder- und Hausmärchen“ mündlich überlieferten. Tatsächlich ist es aber der Fall, dass Märchenerzählen bis ins 20. Jahrhundert hinein überwiegend die Angelegenheit der Erwachsenen war. Ein guter Erzähler hatte sowohl Märchen als auch Memorate, Fabulate und Schwänke in seinem Repertoire, deren Inhalte auch durchaus sehr obszön sein konnten.
Die Brüder Grimm sind außerdem dafür verantwortlich, dass das Märchen von der Erwachsenenliteratur zur Kinderlektüre wurde. Sie verwandelten traditionelle Unterhaltungen der unteren Schichten einer überwiegend ländlichen Bevölkerung zu Kindermärchen des bürgerlichen Stadthauses.
Dieser Wechsel der Rezeptions- und Kommunikationsphäre bedeutet nicht nur einen Wandel der sozialen Schicht, sondern auch einen Funktions- und Formenwechsel. So konnten die Volksmärchen zu den Kindermärchen werden, deren Erfolg auch heute noch anhält.
Wilhelm Grimm ersetzte das Präsens durch erzählendes Imperfekt, fügte archaisierende Wendungen ein, ersetzte indirekte durch direkte Rede und führte volkstümliche Doppelausdrücke und Gefühlswörter ein.
Auf diese Weise wurde der Typus des „Buchmärchens“ hervorgerufen. „Buchmärchen“ zeichnen sich durch eine homogene Textgestalt aus, die durch Motivkombinationen, Kontaminationen (Vermischungen) einzelner Märchentypen und Eliminierung von sozialkritischen und erotischen Elementen geschaffen wird.
Trotz der Tatsache, dass die Brüder Grimm in ihrer Vorrede von 1819 beteuerten, dass es ihnen „zuerst auf Treue und Wahrheit angekommen“ sei und sie „aus eigenen Mitteln nichts hinzugesetzt“ hätten, handelt es sich bei ihren Texten aus wissenschaftlicher Sicht keinesfalls um philologisch authentische Texte. Erst die romantisierenden, kindertümelnden stilistischen Eingriffe haben den literarischen Erfolg der Märchen der Brüder Grimm hervorgerufen und sie zum Kinderbuch werden lassen.

Diese Art von Märchen hat auch Zutritt in Schulbücher gefunden. Die bürgerliche Ethik und ihre Moralvorstellungen sollten die Phantasie des Kindes in die gewünschte Richtung lenken.
Die niedergeschriebene Fassung der Märchen zog dem hinzu nach sich, dass das einzelne Märchen, im Gegensatz zu den mündlich überlieferten Erzählungen, nicht mehr durch den Erzähler verändert und der jeweiligen Gruppenkultur angepasst werden konnte. Das Märchen gewann auf diesem Weg zunehmend Abstand von der Lebensrealität der Erzähler und Zuhörer und erstarrte zur Wundererzählung.


3. Abgrenzung gegen benachbarte Gattungen

Im Rahmen des Referats zum Thema „Epische Kleinformen im Bilderbuch“ vom 16.12.2003 wurden neben dem Märchen auch die Gattungen Fabel, Sage und Mythos behandelt. Ich möchte daher auf die Ausarbeitungen meiner Kommilitoninnen Frau Langhammer, Frau Wörle und Frau Geißendörfer verweisen.


4. Typologie des Märchens

Die Brüder Grimm bewirkten, dass die Volkserzählungen zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen und Märchen und Sagen zu den Gattungsbezeichnungen wurden wie man sie heute kennt. Den Brüdern Grimm gelang es, die von den Aufklärern verachtet gewesene Gattung aufzuwerten und sie in ihren „Kinder- und Hausmärchen“ (KHM) besonders im Bildungsbürgertum, aber auch in der breiten Öffentlichkeit zu etablieren. Um dies erreichen zu können spielten vor allem die literarisch-ästethetischen Bewertungen zu jeder Zeit eine bedeutende Rolle.
Forscher machen sich die große Anzahl von Definitionen und Wesensbestimmungen der Märchen und Sagen zu Eigen, die nicht nur den jeweiligen Stand der Forschung wiedergeben, sondern auch die Intentionen und das Forschungsinteresse des einzelnen aufzeigen. Aus diesem Grund werden vielfach nur Teilaspekte in den Vordergrund gerückt.
Einer der kompetentesten und berühmtesten Märchenforscher ist Max Lüthi. Er charaktisiert das Märchen als „welthaltige Abenteuererzählung von raffender, sublimierender Stilgestalt“.
Konstituierende Merkmale des Märchens sind, dass es über längere Zeitspannen mündlich tradiert wird und dass es sich mit der Zeit verändert und sich Varianten entwickeln.
Stilistisch wird das Mädchen durch formelhafte Wendungen, direkte Rede und Verse, einen paradiktischen Satzbau und das Happy End geprägt. Das zuletzt genannte stilistische Mittel verbindet das Märchen mit der Trivialliteratur.

Nach Inhalt unterscheidet man Lügenmärchen, Schwankmärchen, Zaubermärchen, Tiermärchen, ätiologische (erklärende) Märchen und Legendenmärchen.
Betrachtet man die formalen Kriterien, so lassen sich Kettenmärchen, in denen sich dasselbe Motiv mehrmals wiederholt und Konglomeratmärchen, die aus losen Kompositionen bestehen und Novellen- bzw. Parabelmärchen unterscheiden.


5. Charakteristische Merkmale des Märchens

5.1 Der Begriff „Europäisches Volksmärchen“

Ein Vergleich der im Laufe der letzten Jahrhunderte entstandenen Märchen hat ergeben, dass den europäischen Volksmärchen abgesehen von den zeitlichen, nationalen und individuellen Verschiedenheiten einige gemeinsame Wesenszüge zuzuordnen sind. Man spricht daher von einem Grundtyp des europäischen Volksmärchens. Dieser Grundtyp, oder auch Idealtyp, charakterisiert sich durch die Neigung zu einem bestimmten Personal, Handlungsablauf und eine bestimmte Darstellungsart. Die Stilgesetze die Lüthi geprägt hat, sind aus der Abgrenzung des Märchens zur Sage entstanden.


5.2 Darstellungsart

Ein erstes Erkennungsmerkmal des europäischen Volksmärchens ist die Eindimensionalität. Diese bringt mit sich, dass das Diesseits und das Jenseits nicht wie in der Sage unterschieden werden, sondern in einer Dimension vereinigt sind. Das Märchen wird dadurch mit einer anderen Welt, dem Numinosen, in Verbindung gebracht. Ein weiterer Unterschied zur Sage ist, dass die Begegnung mit Figuren einer anderen Welt für den Helden eines Märchens keinesfalls beunruhigend ist, da er sich im Jenseits mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie im Diesseits bewegt und folglich keine Furcht vor Toten oder dämonischen Wesen aufzeigt.

Die Flächenhaftigkeit ist ein anderes Kennzeichen, an dem man Märchen erkennen kann. Unter diesem Begriff versteht man, dass die im Märchen agierenden Figuren keine Körperlichkeit und auch keine Innenwelt aufweisen und dem weiteren auch ihre Umwelt nicht dargestellt wird. Die Figuren weisen scharfe Konturen auf und besitzen keine Tiefengliederung. Dass die Figuren wie eine Silhouette auf den Betrachter wirken, steht in Verbindung damit, dass im Märchen Handlungen und Dinge nur benannt und nicht ausführlich geschildert werden. Auch die Mineralisierung und die Metallisierung (z.B.Glasberg, kupfernes Männlein, goldene Äpfel) von Dingen und Figuren tragen zu diesem abstrakten Stil des Märchens bei.

Als weiteres Merkmal für das Märchen ist die Formelhaftigkeit zu nennen. Dieses Kennzeichen ist auch in der Epik wieder zu finden. Der Erzähler vereinfacht sich die Weitergaben seiner Erzählungen durch Formeln wie z.B. „Es war einmal“ und formelhafte Wendungen wie „Milch und Blut“.
Als Voraussetzung für das Märchen ist auch die Isolation von Figuren und Gegenständen zu erwähnen, durch welche der Held die Gelegenheit erhält, alle möglichen Bindungen einzugehen. So steht die unsichtbare Allverbundenheit des Helden des Märchens seiner sichtbaren Isolation gegenüber, was ein problemloses Zusammenspiel verschiedenster Figuren und Handlungsepisoden zulässt.
Die Züge der Märchenfiguren sind abstrakt und transparent, da sie ohne jegliche Individualität sind. Da dies auch bei den mythischen, magischen, profanen und numinosen Motiven bzw. Elementen wieder zu finden ist, werden sie Gemeinschaftsmotive genannt. Durch Sublimation und Entleerung werden sie zu formalen Elementen umgewandelt.
Das Märchen ist in der Lage sich die heterogensten Dinge und Motive anzueignen, indem es Handlungen und Motive sublimiert.
Die Stilmerkmale Lüthis müssen nicht beziehungslos stehen, sondern können mehrfach in Verbindung gesetzt werden. So bedingt die Eindimensionalität Sublimation und Isolation während die Flächenhaftigkeit eine Komponente des abstrakten Stils darstellt.


5.3 Handlungsverlauf

Das europäische Märchen geht immer von einer Schwierigkeit aus, die bewältigt werden muss. Die Kernthemen sind daher Kampf und Sieg bzw. Aufgabe und Lösung.
Hinter diesem Schema stehen immer eine menschliche Erwartung und dessen Erfüllung, die als „Happy End“ das wichtigste Charakteristikum des Märchens darstellt.
Die Ausgangslage der Handlung zeichnet sich durch einen Mangel oder durch eine Notlage, eine Aufgabe, ein Bedürfnis oder andere Schwierigkeiten aus. Im Froschkönig z.B. entspricht dies der Situation in der die goldene Kugel der Prinzessin in den Brunnen fällt und das Mädchen sie alleine nicht herausholen kann.
Eine weitere Gemeinsamkeit der europäischen Märchen ist ihre Neigung zur Zweiteiligkeit. Der Lösung der Aufgabe bzw. der Bewältigung des Kampfes folgt eine neue Notlage die vom Held oder der Heldin bewältigt werden muss oder aus der sie oder er gerettet werden muss. So hat die Prinzessin im Märchen der Brüder Grimm zwar ihren goldenen Ball wieder, muss nun allerdings ihr dafür gegebenes Versprechen einlösen und den Frosch zu ihrem ständigen Begleiter und Gesellen machen.
Das weiteren neigt das Märchen zur Darstellung der Handlung in drei Zügen. Währen z.B in anderen Märchen drei Brüder nacheinander Aufgaben erledigen müssen oder der Held bzw. die Heldin drei Arbeiten verrichten muss, so sind es im Froschkönig die drei eisernen Banden die sich der treue Heinrich um sein Herz legen lies, als sein Prinz in einen Frosch verwandelt wurde und die sich bei dem Wiedersehen mit dem Prinzen nacheinander lösen.


5.4 Die Figuren des Märchens

Die Hauptfiguren im Märchen sind immer der Held oder die Heldin, die grundsätzlich der menschlich-diesseitigen Welt angehören. Auch wenn wie im Froschkönig zu Beginn des Märchens der Anschein erweckt wird, dass die Hauptfigur ein Tier ist, so kann dieser im Allgemeinen von seiner Tiergestalt erlöst werden.
Weitere für das europäische Volksmärchen charakteristische Figuren sind Helfer des Helden, Auftraggeber, Kontrastgestalten, Neider oder auch falsche Helden und die vom Helden oder der Heldin gerettete, befreite oder erlöste Person. Alle wichtigen Personen beziehen sich also auf den Helden, während Gegner und Helfer oft einer außermenschlichen Welt angehören.
Die Personen und Dinge des Märchens sind normalerweise nicht individuell gezeichnet. Schon die beliebten Namen Hans, Jean und Iwan, die seit dem Mittelalter zu den häufigsten Personennamen in Europa zählten, weisen darauf hin, dass der Held des Märchens weder eine Persönlichkeit noch ein Typus, sondern eine allgemeine Figur ist. Der Name Iwan steht im Allgemeinen für einen Russen, während der deutsche Name Hans fast schon zum Gattungsnamen geworden ist (Großhans, Schnarchhans, Schmalhans).
Den meisten Personen wird im Märchen allerdings überhaupt kein Name zugeteilt und werden einfach als Königin, Stiefmutter, Schwester, Soldat, Schmied, etc. benannt. Im Märchen „Der Froschkönig“ besitz weder der Frosch, noch die Prinzessin einen Namen. Der einzige auftretende Name ist hier der des eisernen Hans.
Die Figuren scheiden sich im Märchen scharf in Kontraste wie gut und böse, schön und hässlich, groß und klein, vornehm und niedrig. In „Der Froschkönig“ wird die Prinzessin als wunderschön und der Frosch als hässlich und garstig beschrieben. Wie auch in diesem Märchen ist es jedoch durchaus möglich, dass sich eine hässliche Gestalt, wie z.B. der Frosch, in eine schöne Person, wie den Prinzen, verwandelt.
Neben den diesseitigen Figuren treten häufig auch Gestalten wie Hexen, Riesen, Zauberer, Feen, Tiere etc. auf, die einer Über- oder Unterwelt angehören.
„…So spiegelt sich nicht nur in den Handlungen, sondern auch in den Gestalten und Dingen des Märchens die Welt. Gestirne, Wolken, Wege, unterirdische Reiche – Mensch, Tier, Pflanze, Mineral, Gebrauchsding – Personen und Requisiten gewöhnlicher und übernatürlicher Art haben ihren festen Platz in den Märchen. Daß an Tieren gerne solche des Wassers, der Erde und der Luft schon in einer einzelnen Erzählung genannt werden und zur Wirkung kommen, ist ein Ausdruck der Neigung des Märchens zur Universalität.“


6. Wirkung und Funktion des Märchens

Das Märchen geht im Sinne der Entwicklungspsychologie auf Prozesse ein, die auf jeden Menschen bzw. Jugendlichen im Laufe seiner Entwicklung zukommen. Die Märchen sind der kindlichen Wirklichkeitserfassung angepasst. Ihre Gemeinsamkeit ist die die Durchmischung des alltäglichen, realen Lebens mit dem Übernatürlichen und Sonderbaren.
Darüber hinaus entsprechen auch die Betonung der Handlung und Aktivität des Helden, die Bildhaftigkeit und die Analogiebildungen bestimmten Phasen der kindlichen Entwicklung. Das Märchen kann demnach dem Heranwachsenden eine Hilfe bei der Erkennung und Bewältigung persönlicher Entwicklungsschwierigkeiten sein.
Diese zuletzt genannte Eigenschaft des Märchens wird zusätzlich durch seine Bildsprache unterstützt. Diese entspricht genauso wie der Absolutheitsanspruch des Märchens, welches nur gut oder böse kennt, der Entwicklung der Kinder- oder Jugendlichen.
Den Kindern wird die Möglichkeit gegeben, ihre Aggressionen und Ängste auf exemplarische Weise, die im Märchen bildhaft konkretisiert wird, bewältigen und überwinden zu können, ohne irgendwelche Bestrafungen fürchten zu müssen.
Durch die im Märchen vorherrschende, abstrakte Darstellungsweise wird auch die „Grausamkeit“ entschärft.

Es darf jedoch nie in Vergessenheit geraden, dass die Märchen in einer patriarchalischen, vorindustriellen und hauptsächlich agrarisch organisierten Zeit entstanden sind.
Die heutige Realität fordert einen großen Spielraum von Entscheidungsmöglichkeiten zwischen Gut und Böse.
Darüber hinaus vermitteln die Märchen häufig veraltete Wertvorstellungen die in unserer Welt in dieser Form nicht mehr zu finden sind und bieten keine Möglichkeiten für eine reale Konfliktlösung an. Es ist demzufolge wichtig, aus den zahlreichen Märchen europäischer und orientalischer Herkunft geeignete Exemplare zu wählen.
„Mehr denn je wird das Märchen, mit seinen scheinbar in jeder Epoche neu ausdeutbaren Symbolgehalt als phantasieanregende Lektüre mit einem gewissen eskapistischen Zug, von den verschiedensten Richtungen rezipiert und in einer ahistorischen Betrachtungsweise interpretiert, ohne zu beachten, dass das Märchen wie alle anderen Gattungen der Volksliteratur (>Sage) in einer konkreten kulturellen und gesellschaftlichen Situation entstanden ist und in einer ebensolchen Situation reproduziert wird.“

In den 70er Jahren kam auf, dass traditionelle Märchen mit zumeist hohem Bekanntheitsgrad bearbeitet und umgedichtet wurden wie z.B. in Janosch erzählt Grimms Märchen (1972 und öfter) oder in Fetschers „Wer hat Dornröschen wachgeküsst?“ (Das Märchenverwirrbuch, 1972).
Darüber hinaus wurden auch neue Märchen geschaffen, in denen Bezug zur Lebensrealität der Kinder und deren Verhältnis zur Erwachsenenwelt genommen wird.
Die Grimmschen Märchen sind trotz allem keineswegs aus den Bücherregalen verschwunden, sondern konnten sich sogar wieder als Lektüre für Erwachsene etablieren.
Märchen werden allerdings mittlerweile nicht mehr ausschließlich als Bücher veröffentlicht und unterliegen den Bedingungen des Marktes. Auch Puppentheater, Rundfunk, Zeichentrickfilm, Tonband, Schalplatte, CD oder das Fernsehen haben sich das Märchen zu Eigen gemacht.


7. Das Märchen in der Grundschule anhand ausgewählter Beispiele

7.1 Betrachtung der kindlichen Entwicklung

Da Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren eine beachtliche Entwicklung durchmachen, betrachten wir sie in zwei Gruppen. Zu der einen Gruppe gehören die ersten und zweiten Klassen und zur anderen die dritten und vierten Klassen.
Vor der Einschulung sind die Kinder das behütete Elternhaus und den umsorgenden Kindergarten gewohnt. In der Schule erwartet sie nun ein neues Umfeld, Pflichten und neue Gewohnheiten. Die Kinder gehen zumeist schon nach kurzer Zeit den Schulweg alleine oder lernen Bezug zu verschiedenen Lehrern und neuen Klassenkameraden zu nehmen. Vielen Kindern fällt dieser Schritt zur Selbstständigkeit leicht. Andere Kinder erleben diesen Schritt mit gemischten Gefühlen oder sogar als schmerzliche Trennung von den Eltern.
Während die Schüler der ersten beiden Klassen fast ausnahmslos für Märchen jeglicher Art zu begeistern sind, fühlen sich einige Kinder der dritten und vierten Klasse schon zu groß dafür. Wenn es dann als Schullektüre jedoch kein Krimi sein darf, dann beanspruchen sie zumindest, dass das Märchen spannend sein muss. Gerade diesen Kindern gefallen die Märchen hinterher besonders. Dem muss allerdings vorausgehen, dass die Lehrkraft ein Märchen auswählt, welches dem Alter der Klasse angemessen ist.








7.2 Das Märchen als didaktisches Mittel

Die Märchen dienen den Kindern zunächst als Orientierungshilfe. In den Märchen begegnen den Zuhörern und Lesern Vorbilder für sinnvolles Handeln und ein erfülltes, erfolgreiches Leben, welches sich bei Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren immer mehr außerhalb des Elternhauses abspielt.
Auch bei der Angstbewältigung erweisen sich Märchen als eine gute Stütze. Den Kindern wird gezeigt, dass nicht nur sie, sondern auch die Helden der Geschichten in Gefahr geraten, Proben bestehen und Probleme bewältigen müssen.
Dem weiteren ist zu beobachten, dass Märchen die Phantasie von Kindern anregen und somit ein Fundament für Entdeckerfreude und schöpferisches Tun geschaffen wird.
Auch vermitteln die Erzählungen den Schülern wichtige Lebensratschläge und schenken Zuversicht.
Nicht zuletzt sollte man als Lehrkraft bedenken, dass man Märchen vielfältig im Unterricht einsetzen sollte um die Kreativität und das musisches Schaffen der Schüler zu fordern und zugleich auch zu fördern. Man kann die Geschichten oder Teile daraus von der Klasse nicht nur nacherzählen oder in Bilder malen lassen, sondern sie auch nachspielen oder tanzen lassen. Diese aktiven, praxis- und handlungsorientierten Umsetzungen der Märchen helfen den Kindern ihre leib-seelischen Qualitäten zu finden.


7.3 Märchen für die erste und zweite Klasse

Für die Sechs- bis Achtjährigen werden Märchen ausgewählt, in denen einmal ein weiblicher Held und einmal ein männlicher Held im Mittelpunkt stehen. Auch wenn heutzutage Mädchen und Jungen weitgehend gleich behandelt und erzogen werden, so weisen sie doch unterschiedliche Verhaltensmuster, Vorlieben und Neigungen auf. Demnach wählen in diesem Alter Mädchen gerne Erzählungen wie das Märchen von Rapunzel aus, in dem der Held weiblich ist. Erstaunlicherweise lassen sich allerdings auch die Jungen gerne für dieses Märchen begeistern und wünschen es sich immer wieder.
Als Lehrkraft oder als Eltern stellt man sich oft die Frage was die Kinder an dem jeweiligen Märchen interessiert. Da die Kinder in diesem Alter das Wesentliche in Worten zumeist noch nicht ausdrücken können ist es effektiver sie dazu anzuregen z.B. Bilder zu der gehörten Erzählung zu malen oder das Märchen in Gruppen und Auszügen nachzuspielen. Aus der Rollenwahl der Kinder und den gemalten Bildern kann man Rückschlüsse ziehen worauf es den Kindern besonders ankommt. Oft äußern sich die Schüler auch verbal über ihre Neigungen, Abneigungen, Freuden und Ängste.

Ein geeignetes Märchen für Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren ist zum Beispiel das Rapunzel-Märchen der Brüder Grimm, welches auch in ihrer Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“ unter der Nummer 12 zu finden ist.
Um den Zusammenhang zwischen dem Märchen und dem alltäglichen Leben der Erst- und Zweitklässler besser erörtern zu können sollte eine kurze Inhaltsangabe des Märchens vorausgehen: Ein Ehepaar wünscht sich sehnlichst ein Kind. Während die Frau schwanger ist, verspürt sie Lust auf die Rapunzelpflanzen einer Zauberin. Als der Mann allerdings beim holen dieser Pflanze von der Zauberin erwischt wird, muss er ihr als Strafe das Kind versprechen. Dieses wird, als es nun soweit ist von der Zauberin in einem Turm ohne Türen untergebracht. Die Zauberin kann nur zu dem Mädchen in den Turm gelangen, indem Rapunzel ihr langes Haar durch ein Fenster herabfallen lässt und die Frau an diesem hinaufklettert. Eines Tages beobachtet dies ein junger Prinz, der daraufhin zu Rapunzel in den Turm steigt und ihre Liebe gewinnt. Als dies die Zauberin erfährt, schneidet sie Rapunzels Haar ab und verbannt sie in eine Wüste. Als der Königssohn bei einem erneuten Besuch im Turm, indem er eigentlich Rapunzel vermutet, nur die Zauberin sieht, stürzt er in Dornen und erblindet.
Eines Tages folgt der blinde Prinz einem Gesang und trifft dabei auf Rapunzel. Diese freut sich so sehr den Königssohn zu sehen dass ihre Freudentränen auf seine Augen tropfen. Da erlangt er auf einmal sein Augenlicht zurück und nimmt Rapunzel mit in sein Königsreich.

Im Folgenden soll nun der Bezug zwischen dem Märchen und dem Alltag eines Kindes hergestellt werden.
Eine Erfahrung die jeder Mensch in seinem Leben macht ist, dass er ersehnt, gewünscht und von seinen Eltern liebevoll empfangen und gehalten werden möchte. Dies stellt auch die Anfangssituation im Märchen dar.
Das Kind muss dann allerdings erfahren, dass es versprochen ist und von den Eltern fort muss. Im Grunde gesehen kommt für jedes Kind einmal der Moment ab dem nicht mehr alle seine Wünsche von den Eltern erfüllt werden können. Kinder fühlen sich dann oft wie verbannt und in einen Turm geschlossen.
Rapunzel erhält sich den Kontakt zur Außenwelt durch ihr langes Haar. Für Kinder ist es allgemein oft eine Tragödie wenn ihnen gegen ihren Willen die Haare abgeschnitten werden. Wie die Zauberin im Märchen wollen auch Eltern die ersten Annäherungsversuche zwischen ihren Kindern und dem anderen Geschlecht hinauszögern. Trotz der verhinderten Liebe bewältigt Rapunzel das Leben in der Wüste und kann dann letztendlich vom Königssohn, trotz seiner Blindheit gefunden werden.
Am Schluss des Märchens steht, dass die Liebe und die Freudentränen von Rapunzel wie Lebenswasser dem geliebten Menschen eine neue Sicht auf das Leben ermöglichen, was sich auch gut auf das reale Leben übertragen lässt.

„Wir sind versucht zu sagen, dass diese Erfahrungen weit über das hinausgehen, was sechs- und siebenjährige Kinder verstehen können. Und doch zeigt es sich immer wieder, dass sie dieses Märchen wünschen und gern hören, vielleicht wie eine Ahnung dessen, was das Leben ihnen bringen und abverlangen wird. Das Märchen schafft Zuversicht und spricht Mut zu, in einer Situation des Gefangenseins auf eigene Kräfte und Einfälle zu vertrauen. Wer „singt“, findet einen Partner, findet ihn wieder; wer den Hilflosen liebevoll umarmt, öffnet Augen, so dass das Königreich gefunden wird, ein Bild für den reifen Menschen. Mit diesen Andeutungen ist das Märchen natürlich nicht ausgeschöpft, das soll und kann es auch nicht. Die Märchen sind nie eindeutig, sondern immer vieldeutig und unausdeutbar. Das macht sie so wert- und wirkungsvoll.“

Ein weiteres angemessenes Märchen für diese Alterststufe wäre auch „Das Meerhäschen“ (KHM 191).








7.4 Märchen für die dritte und vierte Klasse

Als Beispiel für eine geeignete Schullektüre für Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren soll das Märchen „Der Eisenhans“ dienen, welches in den KHM der Brüder Grimm unter der Nummer 136 oder hier in dieser Arbeit im Anhang nachzulesen ist.

Dieses Märchen spricht trotz seiner enormen Länge die kindliche Seele der Dritt- und Viertklässler an. Bereits der spannende Beginn bewirkt, dass die Kinder das Märchen interessiert verfolgen.
Die Situation in der Erzählung ist vergleichbar mit den zunehmend kritischen Erlebnissen und Erfahrungen der Kinder daheim in ihrem Elternhaus. In die geordnete Welt des Königs bricht das Unheimliche, Geheimnisvolle und Unbekannte herein.
Bei den Brüdern Grimm wird der Wilde eingesperrt. Während die Mutter über den Schlüssel wacht, bestimmt der Vater, dass der wilde Mann nicht befreit werden darf. Aber wie im realen Leben gilt auch im Märchen, dass das Verbot gebrochen wird, da nur so Entwicklung, Wachstum und Selbstständigkeit ermöglicht werden können. Jedes Kind hat schon die Erfahrung gemacht den Eltern nicht gefolgt zu haben und sich danach wie verlassen in einem Wald zu fühlen und von wilden Kräften zu schwer einzuhaltenden Geboten gezwungen zu sein. Ein erneutes Versagen führt einen hinaus in die Welt.
„Goldene Haare“ lassen sich allerdings nicht so einfach verbergen. Das Gold in den Haaren des Jungen wird im Märchen mit der Sonne in Verbindung gebracht. Die Sonne steht als Symbol für das Licht, das uns erhellt und damit neue Erkenntnisse ermöglicht. Dies ist im Zusammenhang mit der Redewendung „mir geht ein Licht auf“ zusehen.
Für Kinder ist es ein Trost zu erkennen, dass sie zwar durch das Übertreten von Geboten ins Ungewisse gestoßen und in die Welt getrieben werden, ihnen dennoch auch Hilfe zugesagt wird. Das Kind wird nun nicht mehr von den Eltern behütet, sondern muss in der Welt seine eigenen Erfahrungen machen.
Auch der Königssohn wird im Märchen aus seiner behüteten Umgebung herausgerissen und muss lernen sich gegenüber niederen sowie höher gestellten Personen am Hofe und gegenüber dem anderen Geschlecht, der Prinzessin, behaupten zu können. Nachdem er sich schließlich mit Hilfe des „wilden Mannes“ bewährt hat, gibt er sich zu erkennen und verlangt was ihm zusteht, nämlich die Hand der Prinzessin.
Es bleibt nun die Frage, was und wer denn der „Eisenhans“ eigentlich sei. Man könnte vermuten, dass dem Jungen im Eisenhans sein eigenes Ich begegnet, welches zunächst chaotisch und wild ist, welches den kristallklaren Goldbrunnen kennt, welches sich bemüht und versagt, dient, bittet und schenkt und letztendlich sich selbst befreit und entfaltet und seine innere Qualitäten seine Schätze, offenbart und gewinnt.
Diesem langen aber auch sehr spannenden Märchen gelingt es die wildesten Kinder zu zähmen, während es zapplige Zuhörer beruhigt und schüchterne ermutigt.

Ein anderes Märchen bei dem es den Acht- bis Zehnjährigen Kindern leicht fällt sich mit den vorkommenden Figuren zu identifizieren ist „Die zertanzten Schuhe“ (KHM 133).







8. Das Kunstmärchen

Neben dem mündlich überlieferten und der Unterhaltung und Belehrung dienenden Volksmärchen existiert das Kunstmärchen, welches in der Hochdichtung einzuordnen ist und sich dadurch auszeichnet, dass es in der Schicht der Gebildeten vorherrschend ist. Das Kunstmärchen ist eine Individualdichtung, da es aus den traditionellen Volksmärchen Motive aufgreift und in die eigene Dichtung integriert.
Im Gegensatz gibt es jedoch auch Kunstmärchen, die von den Brüdern Grimm zu traditionellen Volksmärchen umgearbeitet wurden. Auf diese Weise konnten zum Beispiel Kunstmärchen von Phil. Otto Runge, Johann Heinrich Jung-Stilling und Clemens Brentano in die KHM der Brüder Grimm aufgenommen werden.
Der Beginn der Kunstmärchendichtung liegt im Zeitalter der Romantik. Für die Romantiker war das Volksmärchen die vollkommene Verkörperung einer ursprünglichen Dichtung. Sie sammelten und edierten Märchen und führten das Kunstmärchen zur Blüte.
Mit Johann Karl August Musäus’ „Volksmährchen der Deutschen“ (1782-1787) und Christoph Martin Wielands’ Sammlung „Dschinnistan“ von 1789 sind Kunstmärchen entstanden, in denen auf ironische Weise Märchen- und Sagenmotive verarbeitet und nach belieben neu verwendet werden.
Unter Wielands Hand ist des Weiteren auch die umfangreiche Sammlung „ Cabinet des Fees“ entstanden, die bereits 1785 erschienen ist und von der französischen Mode der „Feenmärchen“ beeinflusst wurde. Wieland schrieb jedoch vorwiegend Kunstmärchen mit orientalischem Einfluss, was sich vor allem in der Sammlung „1001 Nacht“ deutlich wiederspiegelt.
Ludwig Tiecks schrieb Kunstmärchen, die als romantisch intendierte und parodistische Märchendichtungen einzuordnen sind. Die Romantiker Ludwig Tiecks und Novalis ließen sich bei ihren Werken von Goethes „Märchen“ (in den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“, 1795) beeinflussen und begründeten schließlich eine Tradition des Kunstmärchens. Diese Tradition wurde während des weiteren 19. Jahrhundert gepflegt und ist bei Autoren wie Bettina von Arnim, Clemens Brentano, E.T.A. Hoffmann, Gottfried Keller oder Eduard Mörike in unterschiedlichsten Konstellationen wieder zu finden, wobei häufig die Künstlerproblematik, Erscheinungen des Unerklärlichen, des Gespenstischen oder des Wunderbaren oder philosophische Botschaften im Vordergrund stehen.
Goethes Werk „Märchen“ kann allgemein als Prototyp des romantischen Kunstmärchens gesehen werden, da traditionelle Märchenmotive adaptiert und dann kreativ zu einer bedeutungsschweren Handlung umgebaut werden.













9. Schluss

Vor der intensiven Beschäftigung mit diesem Thema waren Märchen für mich lediglich das, was sie wohl für die meisten Kinder und Erwachsene sind, nämlich unterhaltsame Geschichten.
Als kleines Kind konnte ich von den zahlreichen Geschichten nicht genug bekommen, da ich mir selbst immer gewünscht hatte eine Prinzessin zu sein oder von einem schönen Prinzen wie in „Aschenputtel“ zu solcher gemacht zu werden. Später, als mir bewusst wurde, dass diese Märchen nicht der Wirklichkeit entsprechen und lediglich erfunden sind, nahm ich die Bücher nur noch zur Hand um meinen Nachbarskindern daraus vorzulesen. Die tiefere Beschäftigung mit dem Thema Märchen konnte allerdings erneut meine Begeisterung wecken und war nicht nur sehr interessant sondern auch schön, da ich meine Märchenbücher diesmal nach neuen Aspekten untersuchen konnte.
Für mein späteres Berufsleben als Grundschullehrerin konnte mir vor allem der Gliederungspunkt 9 „Das Märchen in der Grundschule anhand ausgewählter Beispiele“ viele Ideen und Anregungen vermitteln.

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