Dienstag, 30. Mai 2006

Leistungsbewertung in Bayerns Schulen

Leistungsbewertung in Bayern
In Bayern werden mündliche sowie schriftliche und praktische Leistungen von der zweiten Jahrgangsstufe an mit den Zensuren 1-6 bewertet. Note 1 ist die zu erzielende Höchstbewertung und Note 6 die Niedrigste. Auf Leistungen können nur ganze Noten jedoch keine Zwischenzensuren (z.B. 1,3) erteilt werden. Erläuterungen zu den Bewertungen und Schlussbemerkungen sind hingegen zulässig. In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Lehrkraft der Note ein + oder – hinzufügt. Diese Anmerkung wirkt sich weder vorteilhaft noch nachteilig auf die Bewertung aus und soll lediglich eine Tendenz der Leistung anzeigen.
Jeder dieser sechs Zensuren liegen Wortbedeutungen zu Grunde, die als Maß den Begriff „Anforderung“ verwenden. Dieser bezieht sich auf den Umfang sowie auf die selbstständige und richtige Anwendung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler und darüber hinaus auch auf die Art der Darstellung.
Die vom Kultusministerium in der Schulordnung aller Schularten festgelegte Definition und Umschreibung der einzelnen Notenstufen soll im Folgenden dargestellt werden.

Note 1: sehr gut
Die Note „sehr gut“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen in besonderem Maße entspricht.

Note 2: gut
Die Note „gut“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht.

Note3: befriedigend
Die Note „befriedigend“ soll erteilt werden, wenn die Leistung im allgemeinen den Anforderungen entspricht.

Note 4: ausreichend
Die Note „ausreichend“ soll erteilt werden, wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im ganzen den Anforderungen noch entspricht.

Note 5: mangelhaft
Die Note „mangelhaft“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können.


Note 6: ungenügend
Die Note „ungenügend“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können.

Auf eine Notenbewertung kann dann verzichtet werden, wenn pädagogische Gründe beziehungsweise ein schulärtzliches oder schulpsychologisches Urteil vorliegen. Solche Ausnahmefälle liegen z.B. bei Kindern vor, die nicht am Sportunterricht teilnehmen können oder an Leistungsstörungen, wie einer Dyskalkulie oder einer Lese-Rechtschreibschwäche leiden. Auch bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie ausländischen Kindern mit sehr schlechten deutschen Sprachkenntnissen können Noten auch durch allgemeine Bewertungen ersetzt werden.


Leistungserhebung in Bayern

Hausaufgaben und Probearbeiten
Zu den eigenständig durchgeführten Tätigkeiten der Grundschule gehören gemäß §17 der Volksschulordnung auch die Hausaufgaben die aufgrund dessen neben den Probearbeiten in diesem Gliederungspunkt Erwähnung finden sollen.
Hausaufgaben dienen dem Zweck, den Lehrstoff einzuüben und die Schüler zu eigener Tätigkeit anzuregen. Sie sollen in der Grundschule täglich nicht mehr als eine Stunde Arbeit in Anspruch nehmen. Bezüglich des erteilten Umfangs ist auf Nachmittagsunterricht Rücksicht zu nehmen. Sonntage, Feiertage sowie Ferien sollten von Hausaufgaben freigehalten werden.
„Zum Nachweis des Leistungsstands erbringen die Schülerinnen und Schüler in angemessenen Zeitabständen entsprechend der Art des Fachs schriftliche, mündliche und praktische Leistungen. Art, Zahl, Umfang, Schwierigkeit und Gewichtung der Leistungsnachweise richten sich nach den Erfordernissen der jeweiligen Schulart und Jahrgangsstufe sowie der einzelnen Fächer. Die Art und Weise der Erhebung der Nachweise des Leistungsstandes ist den Schülerinnen und Schülern vorher bekannt zu geben; die Bewertung der Leistungen ist den Schülern mit Notenstufe und der Begründung für die Benotung zu eröffnen. Leistungsnachweise dienen der Leistungsbewertung und als Beratungsgrundlage.“
Schriftliche Leistungsnachweise werden durch Probearbeiten erbracht, die sich aus dem unmittelbaren Unterrichtsablauf ergeben müssen und in der Grundschule nicht angekündigt werden dürfen. Um die Grundschüler nicht unter übermäßigen Leistungsdruck zu setzen und sie nicht zu überfordern, darf in allen Klassen maximal eine Probearbeit am Tag und höchstens zwei in der Woche durchgeführt werden. Insofern in der ersten Jahrgangsstufe überhaupt Probearbeiten abgehalten werden, dürfen sie jedoch frühestens ab der zweiten Klasse benotet werden. Vorher soll der Leistungsstand der Schüler lediglich durch Bemerkungen beschrieben werden.
In der Grundschule wie auch in allen weiterführenden Schulformen ist eine Probearbeit mit Note 6 zu bewerten, wenn sich bei der Anfertigung der Leistungserhebung unerlaubter Hilfen bedient wird. Auch die Bereithaltung nicht zugelassener Hilfsmittel ist ebenso zu ahnden.
Auch wenn sich eine Probearbeit gemäß den Ansprüchen des Faches keiner sprachlichen Fähigkeiten bedient, so sind dessen ungeachtet Verstöße gegen Sprachrichtigkeit und schwere Ausdrucksmängel jederzeit zu kennzeichnen.
Die Probearbeiten werden von der Lehrkraft eingesammelt und binnen kürzester Zeit korrigiert, um sie baldmöglichst den Schülern zur Einsichtnahme zurückzugeben und auf ihre Richtigkeit zu besprechen. Schriftliche Leistungserhebungen können den Kindern zur Kenntnisnahme durch die Eltern mit nach Hause gegeben werden, müssen jedoch wieder einbezogen und mindestens bis zum Schuljahresende von der Lehrkraft aufbewahrt werden.
Sowohl über schriftliche, als auch über praktisch durchgeführte sowie mündliche Leistungserhebungen muss die Lehrkraft Aufzeichnungen machen. Die entsprechende Bewertung muss in den Schülerbogen eines jeden Kindes eingetragen werden. Der Schülerbogen führt neben sämtlichen Leistungsbewertungen auch alle Fehltage und die schulische Laufbahn eines Kindes auf und wird bei einem Schulwechsel an das neue Schulhaus übergeben.




Orientierungsarbeite

Seit der Veröffentlichung der in der Einleitung dieser Arbeit ausgeführten ernüchternden Egebnisse der PISA-Studie 2000 und anderer internationaler Schulleistungsstests wie TIMSS 1997 (Third International Mathematics and Science Study) und IGLU 2001 (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) zeigen sich verstärkte Bemühungen, bereits in der Grundschule eine Standardbestimmung zur Sicherung grundlegender schulischer Kompetenzen vorzunehmen. Diesbezüglich hat die Kultusministerkonferenz länderübergreifende Bildungsstandards beschlossen, die zu erwerbende Kompetenzen vorgeben, über die alle Schüler nach der 4. beziehungsweise 9. Jahrgangsstufe und nach dem mittleren Bildungsabschluss verfügen sollen. Orientierungsarbeiten stellen demnach Vergleichsarbeiten dar, die zum einen eine erfolgreiche Maßnahme zur Qualitätssicherung implizieren und zum anderen die Mobilität innerhalb Deutschlands sowie die Vergleichbarkeit von Bildungsstandards gewährleisten sollen. Da die Einführung der Orientierungsaufgaben kurz bevorsteht, sollen sie als weitere Maßnahme der Annäherung des deutschen Schulsystems an den internationalen Leistungsstandard in diesem Gliederungspunkt eingehend betrachtet werden.
Entwicklung und Durchführung der Orientierungsaufgaben liegen in der Verantwortung der Länder. Bayern gehört zu einem der ersten Bundesländer, die einheitliche Tests in den Bereichen Lesen und Rechtschreiben verpflichtend für alle Grundschüler der zweiten und dritten Jahrgangsstufe eingeführt hat.
Die Orientierungsaufgaben werden in der Abteilung Grund- und Hauptschule des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in Zusammenarbeit von Fachleuten aus der Praxis, Universitäten sowie eines wissenschaftlichen Konsortiums erarbeitet. Die Tests wurden so konzipiert, dass sie die unterschiedlichen Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik systematisch überprüfen. Die Testaufgaben werden dahingehend derzeit in 30 bayerischen Schulen getestet und auf ihre Brauchbarkeit für vergleichende Leistungstests hin überprüft. Zusätzlich werden zu jedem Schüler und dessen Elternhaus Hintergrundinformationen eingeholt.
Wie im direkten Vergleich zur Einleitung festzustellen ist, entsprechen die Orientierungsarbeiten in ihrer gesamten Konzeption groß angelegten Datenerhebungen wie beispielsweise der PISA-Studie. Diese Vorgehensweise soll sicherstellen, dass es sich bei diesen Arbeiten um empirisch abgesicherte Tests unter Einbezug entsprechender Gütekriterien handelt, deren Schwierigkeitsgrad über mehrere Jahre hinweg konstant bleibt.

Durchführung
Die Orientierungsarbeiten werden in ganz Bayern zum gleichen Zeitpunkt von allen Zweit- und Drittklässlern bearbeitet. Während die zweite Jahrgangsstufe lediglich in den Bereichen Mathematik und Lesen geprüft wird, kommt für die dritte Klasse zusätzlich das Gebiet Rechtschreiben hinzu. Der Durchführungszeitraum wurde auf das Ende der Jahrgangsstufen zwei und drei festgelegt, da auf diese Weise die Lehrkraft der unteren beiden Klassen und die der oberen beiden Stufen eine Rückmeldung über die in ihrer Klasse geleistete Arbeit erhält. Die Aufgaben unterliegen keiner Stoffbegrenzung, da man eine Gewichtung der Inhalte des Lehrplans hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit vermeiden möchte. Die Begründung hierfür liegt darin, dass die Entscheidung über die Stoffverteilung im Wesentlichen bei der Lehrkraft liegt und die komplette Lösung aller Aufgaben ohnehin nicht erwartet wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler auf Aufgaben treffen die sie nicht lösen können ist bei allen Klassen gleich hoch.
Bei den Orientierungsarbeiten besteht eine Kooperation mit vier weiteren Bundesländern. Die Tests der dritten Jahrgangsstufe finden zeitgleich mit denen in Thüringen und im Saarland statt, während die Tests der zweiten Klassen parallel in Berlin und Brandenburg abgehalten werden. Um die nötige Objektivität und den Vergleichsmaßstab wahren zu können, muss die Durchführung der Orientierungsaufgaben bestimmten Vorgaben entsprechen die in allen Schulen eingehalten werden. Um dies zu gewährleisten erhalten die Schulen mit den Aufgaben Durchführungs- und Korrekturhinweise, die exakte Angaben über die Bekanntgabe der Fragestellungen, die Bearbeitungszeit und die Vergabe von Bewertungspunkten beinhalten. Um den Anforderungen der Geheimhaltung gerecht zu werden, erhalten die Schulen die Tests kurzfristig als digitale Datei.
Nach Abschluss der Testphase werden die Arbeiten von der Lehrkraft korrigiert und an das ISB zurückgeschickt. Die zentralen Vergleichsergebnisse werden dort ausgewertet und die Durchschnittsergebnisse bis zur letzten Schulwoche an die Schulen weitergeleitet und im Internet für jeden zugänglich veröffentlicht.
Die Orientierungsarbeiten werden von der zuständigen Lehrkraft zwar korrigiert, jedoch nicht benotet, da die Ergebnisse ausschließlich dem Vergleich der Bildungsstandards dienen. In das Zeugnis der Schüler sollen insbesondere nur Leistungserhebungen wie beispielsweise Probearbeiten einfließen, deren Inhalte ausschließlich im unmittelbaren Unterricht erarbeitet und gesichert wurden.

Was können Orientierungsarbeiten leisten?
Orientierungsaufgaben geben Auskunft über den Leistungsstand einer Klasse beziehungsweise der einzelnen Schüler. Da alle Kinder eine gute und gleichberechtigte Bildungschance erhalten sollen, wurde der Untersuchungsmaßstab weniger auf das Leistungsvermögen der Schüler einer Klasse festgelegt, sondern vielmehr wird die Leistungsfähigkeit eines Kindes mit bayernweit einheitlichen objektiven Leistungs- und Qualitätsstandards verglichen.
Die Lehrkraft erhält mit Hilfe der Orientierungstests Hinweise auf den individuellen Förderbedarf eines Kindes. Gerade durch Fragen nach Lerninhalten, deren Erarbeitung bereits einen längeren Zeitraum zurückliegt, lassen sich auch wichtige Informationen über die Nachhaltigkeit des Lernens erschließen.
Darüber hinaus gewinnt die Lehrkraft auch Aufschluss über den Erfolg des eigenen Unterrichts und kann folglich Maßnahmen ergreifen, um die Unterrichtsqualität zu steigern.
„Sie sieht eventuell, welche Stoffgebiete, obwohl bereits bearbeitet, noch nicht umfassend verstanden oder ausreichend gesichert wurden und wie sich die einzelnen Schülerleistungen über die Kompetenzstufen hinweg verteilen. Dies kann die Lehrkraft als Anregung für die eigene Arbeit nutzen.“

Auch die gestellten Aufgaben selbst können den Lehrern für die alltägliche unterrichtliche Arbeit und die Erstellung von Probearbeiten dienlich sein und somit einen Beitrag zur Optimierung des Lehr- und Lernprozesses leisten.
Die Tests geben nicht zuletzt auch Auskunft über das bundesweit angestrebte Anforderungsniveau und können auch als Instrument der inneren Schulentwicklung genutzt werden. Eine gewissenhafte Auswertung der Ergebnisse birgt wertvolle Informationen für die Schule als Ganzes und kann für mehr Transparenz innerhalb des Lehrerkollegiums und gegenüber den Eltern sorgen. Durch eine offene schulinterne Diskussion der Ergebnisse können Kooperationsprozesse in Gang gesetzt werden, um beispielsweise ein einheitliches Anforderungsniveau an der Schule zu sichern.

Was können Orientierungsaufgaben nicht leisten?
Da derzeit bei den landesweiten Orientierungsaufgaben keine Hintergrund- und Kontextmerkmale wie z.B. Klassenzusammensetzung hinsichtlich Einzugsgebiet oder Migrationshintergrund berücksichtigt werden, verbieten sich unreflektierte Vergleiche, die allein auf der Basis der Durchschnittsergebnisse beruhen. Es muss daher dringend davon abgeraten werden, anhand der Ergebnisdaten Schlussfolgerungen über die Qualität des Unterrichts sowie der Schule oder über die Fähigkeiten einzelner Lehrkräfte ziehen zu wollen. Orientierungsaufgaben sind nicht in der Lage, die Komplexität des gesamten pädagogischen Geschehens zu erfassen. Die Tests können bezüglich der Fähigkeiten eines Kindes auch nicht die kontinuierliche Beobachtung und das professionelle Urteil der Lehrkraft ersetzen.

Welche Erkenntnisse können aus den Orientierungsaufgaben gewonnen werden?
Um das Potenzial der diagnostischen Informationen der Orientierungsaufgaben gewinnbringend nutzen zu können, ist eine intensive Auswertung auf drei verschiedenen Ebenen angebracht. Damit diese von den Lehrkräften auch eindeutig interpretiert werden können, erhalten die Schulen Auswertungsberichte, in denen die analysierten Daten kommentiert sind und Vorschläge zur weiteren Unterrichtsarbeit zur Verfügung gestellt werden.
„Individuelle Ebene:
Durch den Vergleich der Einzelergebnisse eines Schülers mit den Landesschnitten erhält die Lehrkraft individuell Rückmeldung über den Grad der Beherrschung der überprüften Kompetenzen jedes einzelnen Schülers. Die Orientierungsaufgaben geben Hinweise, ob ein Schüler gegen Ende des zweiten und dritten Schuljahres das kann, was er können soll.

Vergleich auf Klassenebene:
Durch den Vergleich der Klassenschnitte bei den einzelnen Aufgaben mit den Landesschnitten kann die Lehrkraft Aufschluss über den Erfolg ihres eigenen Unterrichts gewinnen. Die Orientierungsarbeiten können – unter Betrachtung der Begleitumstände – aufzeigen, ob die eigene unterrichtliche Arbeit in den einzelnen Bereichen Ziel führend war.

Schulebene:
Der Vergleich der Ergebnisse der Parallelklassen untereinander mit den Landesschnitten kann zur Sicherung eines einheitlichen, angemessenen Anforderungsniveaus und Bewertungssystems an der Schule beitragen.“


Da sich die Orientierungsaufgaben in Bayern momentan noch in der Testphase befinden, bleiben die Konsequenzen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene noch abzuwarten. Der obige Text hat jedoch einen ersten Eindruck über die Konzeption und die Absichten der Orientierungsarbeiten vermitteln können.

Zeugnisse in Bayern
Im Hinblick auf die Grundschule wurde erst vor wenigen Wochen, zur Ausgabe der Zwischenzeugnisse des Schuljahres 2005/2006 ein neues Notensystem eingeführt. Aus Gründen der Aktualität sollen zunächst die Beweggründe und die Auswirkungen dieser Reform erläutert werden, bevor die für die Primarstufe neu entwickelten Zeugnisse vorgestellt werden.

Ausgangslage
Da eine Reform die Umgestaltung vorherrschender Verhältnisse beschreibt, darf zu Beginn nicht darauf verzichtet werden, den bisherigen Zeugnisvorlagen Betrachtung zu schenken, um das Ausmaß der Veränderungen in seinem ganzen Umfang erfassen zu können.
Die bisherigen Zeugnisse dienten nun mehr seit den 70er Jahren als Beurteilungssystem. Zum damaligen Zeitpunkt war man der Meinung, dass Noten auf Schulanfänger und ihre Eltern einen zu großen Druck ausüben. Das Kultusministerium entwarf darauf hin für die ersten zwei Jahrgangsstufen Zeugnisbögen, die auf Noten verzichteten und dafür ein ausführliches ungegliedertes Wortgutachten beinhalteten. Dieses umfasste eine schriftliche Beurteilung aller von den Schülern erbrachten Leistungen. Das alte Notenwesen sah in den einzelnen Fächern erst ab der 3. Jahrgangsstufe eine Benotung der Leistungen ohne weiteres Hinzufügen schriftlicher Bemerkungen vor. Lediglich die Kopfzeile des Zeugnisses gab in wenigen Sätzen Auskunft über für das jeweilige Kind charakteristische Wesenszüge.
An dem beschriebenen notenfreien Raum der ersten und zweiten Klasse wurde in den letzten Jahren zunehmend Kritik geübt. Einer Umfrage zufolge befürworten rund 75% der Eltern von Schulanfängern eine Benotung für die ersten beiden Jahrgangsstufen. Eine weitaus größere Rolle bei der Erweckung der Reform spielten hingegen die Ergebnisse der ersten PISA-Studie. Als Konsequenz aus diesem internationalen Schulleistungstest ergibt sich der Bedarf nach einer früheren und gezielteren Förderung der Kinder. Die Reform der Leistungsbewertung in der Grundschule ist eine der Maßnahmen, die diesem Ansatz entsprechen.
Um gemäß den Forderungen der genannten Kritikquellen die notwendig gewordene Reform des Notensystems gewinnbringend umsetzen zu können, hat sich für diese Aufgabe eine kompetente Arbeitsgruppe zusammengefunden. Das aus Lehrkräften, Eltern, Schulpsychologen, Beratungslehrern, Erziehungswissenschaftlern sowie Vertretern des Kultusministeriums bestehende Team formulierte konkrete Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Berwertungswesens in der Primarschule.

Erprobung
Im zweiten Schritt der Reform wurde die erarbeitete Vorlage in den Schuljahren 2003/2004 und 2004/2005 an 30 bayerischen Schulen erprobt. Im Zuge der erstmaligen Ausgabe der neuen Zeugnisse im Februar 2003 wurden etwa 400 Lehrer- und ca. 6000 Elternfragebögen verteilt und anschließend ausgewertet, um anhand der Ergebnisse die Konzeption weiterzuentwickeln und zu einem Endprodukt zu kommen.
Die neuen Zeugnisse für die erste und zweite Jahrgangsstufe hatten bereits im Schuljahr 2004/2005 ihre Prämiere, während das neue Bewertungssystem für alle weiteren Grundschulklassen erst zum Zwischenzeugnis 2005/2006 eingeführt wurde.



Die Konzeption
Um der gesamten Persönlichkeitsentwicklung der Schüler eine intensivere Betrachtung zu schenken, berücksichtigt das neue Notensystem die sogenannten überfachlichen Kompetenzen, die als Schlüsselqualifikationen für den Erfolg des Kindes in den weiterführenden Schulen und im späteren Berufsleben zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese trugen bisher die Bezeichnung „Betragen“ und „Fleiß“ und wurden benotet.
Die Vokabel „Betragen“ wurde durch den Sammelbegriff „Sozialverhalten“ ersetzt und unterteilt sich in die vier Teilbereiche „Soziale Verantwortung“, „Kooperation“, „Kommunikation“ und „Konfliktverhalten“. Das bisher als „Fleiß“ bekannt gewesene Bewertungskriterium „Lern- und Arbeitsverhalten“ gliedert sich wiederum in “Interesse und Motivation“, „Konzentration und Ausdauer“ sowie „Lern- und Arbeitsweise“.
Auf die insgesamt sieben Teilbereiche der überfachlichen Kompetenzen wird von der ersten Klasse bis zum Zwischenzeugnis der zweiten Jahrgangsstufe in Form eines verbalen Kommentars eingegangen. Ab dem zweiten Jahreszeugnis werden die Schüler mit Hilfe der Kategorien A-D bewertet. A steht für „hervorragend ausgeprägt, während B „deutlich ausgeprägt“, C „teilweise ausgeprägt“ und D „zu wenig ausgeprägt“ impliziert. Die Kriterien für die Bewertung in diesen Bereichen werden den Eltern zu Beginn des Schuljahres mitgeteilt. Für die betroffenen Lehrer hat das Kultusministerium eine 80-seitige Anleitung mit Beurteilungskriterien und Formulierungshilfen herausgegeben.
Um diese Beurteilung für jeden Schüler erstellen zu können, muss von den Lehrkräften von nun an über das ganze Schuljahr hinweg ein Beobachtungsbogen geführt werden. Für jeden Teilbereich der überfachlichen Kompetenzen sind hier Erziehungsziele und erwünschte Verhaltensmuster angeführt, deren Beobachtungen zunächst als verbaler Text und nochmals als Bewertung nach Kategorie A-D niedergeschrieben werden sollen.

Um den Schulanfängern die Möglichkeit bieten zu können sich ohne übermäßigen Leistungsdruck in das Schulleben eingewöhnen zu können, wird im ersten Schuljahr auch in den Fächern des grundlegenden Unterrichts nach wie vor auf eine Notenbewertung verzichtet. In diesen sowie in den musischen und künstlerischen Fächern erfolgt ebenfalls eine verbale Beurteilung in Form eines Fließtextes.
Diese Vorgaben besitzen auch für das Zwischenzeugnis der 2. Klasse noch Gültigkeit, wenngleich die Lehrkraft ab dieser Jahrgangsstufe mit behutsamen, bewertenden Rückmeldungen beginnt, die zunehmend in Benotungen übergehen. Im Jahreszeugnis werden die Leistungen aller Fächer bereits benotet. Die Zensuren der Fächer Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht werden jedoch durch präzise Aussagen in Stichworten ergänzt. Die Fächer Deutsch und Mathematik sind in ihre, in Gliederungspunkt 4.1 bereits beschriebene Teilbereiche aufgeschlüsselt, denen separate Bemerkungen zukommen sollen.
„(…) die Vergangenheit hätte gezeigt, dass Wortgutachten von den Eltern oftmals nicht verstanden werden. Deshalb soll die Kombination von Einzelbeurteilungen und Kommentaren das neue Zeugnis transparenter machen. Das heißt Stärken und Schwächen der Schüler genauer erfassen, um so die Kinder gezielter zu fördern.“

Beide vorgestellten Zeugnisvarianten schließen mit einem separaten Abschnitt, der den Lehrkräften zur Verfügung steht, um Aussagen zum individuellen Lernfortschritt des Schülers zu treffen und gegebenenfalls Maßnahmen eines individuellen Förderbedarfs bekannt geben zu können.
Ab Ende des zweiten Schuljahres müssen Förderansätze zur Verbesserung der Leistung aufgeführt werden, sobald der Schüler ein Fach mit einer schlechteren Note als 3 abgeschlossen hat. Diese hierfür bereitgehaltene, gesonderte Spalte kann auch für ergänzende Bemerkungen genutzt werden, wie beispielsweise die Erwähnung der freiwilligen Übernahme von Tätigkeiten in der Schülermitverantwortung oder sonstigen Bemühungen für die Schulgemeinschaft.

Das ab dem Jahreszeugnis der zweiten Klasse verwendete Zeugnisformat wird bis zum Jahreszeugnis der vierten Stufe beibehalten. Für die Zeugnisse der dritten und vierten Klasse sind allerdings zusätzlich eine Spalte für die belegte Fremdsprache und eine Zeile für den Vermerk des Vorrückens angefügt.
Die neu entwickelten Zeugnisvorlagen und der Beobachtungsbogen sind zur Einsicht in Anhang VII ab S.16 vermerkt.

Langfristig sollen die gefundenen Neuerungen auch auf die weiterführenden Schulen übertragen werden.

Jahresfortkommen
Die Schüler der ersten und zweiten Jahrgangsstufe rücken ohne besondere Entscheidung in die nächst höhere Klasse vor. Zeugen die über das Schuljahr hinweg gemachten Beobachtungen jedoch von erheblichem Zweifel, ob das betroffene Kind dem Unterricht der nächsten Jahrgangsstufe folgen kann, so entscheidet der Klassenleiter im Einvernehmen mit den in der Klasse unterrichtenden Lehrkräften und mit Zustimmung des Schulleiters über das Vorrücken. Lassen es die Leistungen eines Schülers bereits im ersten Schulhalbjahr fraglich erscheinen, ob ihm am Ende der Klasse die Erlaubnis zum Vorrücken erteilt werden kann, wird die Gefährdung im Zwischenzeugnis angegeben und begründet.
Ab der dritten Klasse ist die Entscheidung über das Jahresfortkommen des Schülers ausdrücklich im Zeugnis vermerkt, soll jedoch nur dann verweigert werden, wenn das Kind in seiner Entwicklung oder in seinen Leistungen erheblich unter dem altersgemäßen Stand seiner Jahrgangsstufe liegt und nicht erwartet werden kann, dass der Schüler mit Erfolg am weiterführenden Unterricht teilnehmen kann. Dieser Zustand gilt als erreicht, sobald im Fach Mathematik oder Deutsch die Note 6 und in dem anderen dieser beiden Fächer oder in Heimat- und Sachunterricht keine bessere Note als 5 erzielt oder in Mathematik und Deutsch die Gesamtnote 5 und im Fach Heimat- und Sachunterricht die Note 6 gegeben wurde. Schülerinnen und Schüler, die die Erlaubnis zum Vorrücken nicht erhalten haben, können die bisher besuchte Jahrgangsstufe wiederholen. Schülerinnen und Schülern, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen die Voraussetzungen zum Jahresfortkommen nicht erfüllen (z.B. wegen Krankheit), kann das Vorrücken auf Probe gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann.
Bei Bedarf ist es einem Schüler auf Antrag der Erziehungsberechtigten zu gestatten, ein Schuljahr freiwillig zu wiederholen oder im Anschluss an das Zwischenzeugnis in die vorherige Jahrgangsstufe zurückzutreten. Die letztendliche Entscheidung trifft eine Lehrerkonferenz unter Berücksichtigung der schulischen Leistungen des Schülers.
Besonders begabten Schülern kann auf Antrag der Erziehungsberechtigten das Überspringen einer Jahrgangsstufe gestattet werden, wenn abzusehen ist, dass das betroffene Kind nach Reife und Leistungsfähigkeit den ihm bevorstehenden Anforderungen gewachsen ist. Impliziert ein zweites Überspringen den Übertritt in das Gymnasium oder die Realschule, so ist zunächst ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen. Die endgültige Entscheidung wird vom Schulleiter getroffen. Von der ersten bis zur dritten Jahrgangsstufe ist das Überspringen auch noch im Anschluss an die Aushändigung des Zwischenzeugnisses möglich. Dieses wird an allen Schulen einheitlich am letzten Unterrichtstag der zweiten vollen Woche im Februar ausgestellt. Das Jahreszeugnis wird am letzten Schultag im Juli ausgegeben. Bei beiden Zeugnissen muss bei Minderjährigen die Kenntnisnahme von mindestens einem Erziehungsberechtigten durch Unterschrift auf dem Dokument bestätigt werden.
Sollte ein Kind während des laufenden Schuljahres die Schule wechseln müssen, so erhält es ein Zwischenzeugnis, das als Abschlusszeugnis zu kennzeichnen ist. Der Schülerbogen, der alle bis zu diesem Zeitpunkt erhobenen Leistungsbewertungen enthält kommt der Lehrkraft der neuen Schule zu.

Diskutierte Vor- und Nachteile der neuen Zeugnisvorlagen
Wie nahezu alle Reformen zeugen auch die Neuerungen der Zeugnisse in der Öffentlichkeit von großem Interesse und werden dementsprechend diskutiert. Im Anschluss sollen die bisher festgestellten Vor- und Nachteile der neuen Notengebung aufgeführt werden. Für eine umfassende Diagnose und ein endgültiges Urteil ist es zu diesem Zeitpunkt jedoch noch zu früh, da den in der Reform umgesetzten Maßnahmen Zeit gegeben werden muss sich bewähren zu können.

Die Kombination von Bemerkungen und Einzelurteilen in Form von Noten oder Kategorien sowie die Aufschlüsselung der überfachlichen Kompetenzen und der Fächer in Teilbereiche sollen das Zeugnis transparenter machen. Die Stärken und Schwächen der Schüler können durch dieses Verfahren genauer erfasst werden, um individuelle Fördermöglichkeiten gezielter einsetzen zu können.
Skeptiker befürchten hingegen, dass die neue detaillierte Notengebung „(…) schwache Schüler noch härter trifft als bisher. Für die Kinder, die schlecht sind, oft gepaart mit Eltern, die sie nicht unterstützen, ist es eine Stigmatisierung.“

Diese Befürchtung steht jedoch im Widerspruch mit der grundlegenden Absicht, die Schüler durch das neue Bewertungssystem gezielter fördern und zu besseren Leistungen motivieren zu können.
„Wie die neue Bewertung funktioniert, zeigt ein Beispiel: Im Fach Deutsch bekommt der achtjährige Lukas als Gesamtnote eine zwei, obwohl er sehr gewandt erzählen kann, spannende Geschichten schreibt und außergewöhnlich gut liest. Seine Schwachstelle ist im detaillierten Zeugnis unübersehbar: In Rechtschreibung hat er eine Vier. Was hinter der schlechten Note steckt, erklärt in wenigen Zeilen der Kommentar des Lehrers.“

Sowohl die Lehrer als auch die Eltern erhalten durch das Zeugnis von nun an Aufschluss darüber, wie sie ihre Kinder in ihrem Lernprozess effektiv unterstützen können. Die Erläuterungen der Lehrkraft sollen die Schüler dazu anregen, weiterhin zu üben. Ein Nachteil, der in nächster Zukunft jedoch bestehen bleibt, ist der Mangel an Lehrern, Sozialpädagogen und Förderunterricht.

Ein weiteres Ziel der Reform soll es sein, dass sich Eltern nicht wie bisher ausschließlich auf Noten stürzen, sondern sich mit den Leistungen ihrer Kinder intensiv auseinandersetzen und bestenfalls mit der Lehrkraft in Kontakt treten, um gemeinsam Fördermöglichkeiten zu finden.
Obwohl die Zeugnisse sehr umfangreich sind und viel Text beinhalten, sind sie jedoch übersichtlicher und transparenter als die bisher aus den ersten beiden Jahrgangsstufen gewohnten Wortgutachten.

Während ein Lehrer bisher für das Erstellen von einem Zeugnis etwa 30 Min. benötigt hat, beansprucht das neue Bewertungssystem zwei bis drei Stunden pro Schüler. Darüber hinaus müssen die Pädagogen von nun an täglich Schülerbeobachtungen durchführen und diese in den vorbereiteten Beobachtungsbogen eintragen, um daraus am Ende eines jeden Schulhalbjahres die Beurteilungen der sieben Teilbereiche der überfachlichen Kompetenzen ableiten zu können.
„(…) jetzt muss man alle 25 Kinder einer Klasse permanent beobachten, die Beobachtungen nach bis zu 40 verschiedenen Kriterien im Beobachtungsbogen dokumentieren und am Ende alles begründet den Kategorien A bis D zuordnen. Der Beobachtungsbogen müsse außerdem als Beweisgrundlage herangezogen werden können, wenn Eltern die Beurteilung ihres Kindes als ungerecht empfänden. Auf der Strecke blieben wichtige Gespräche mit Kindern und Eltern sowie Telefonanrufe bei den Schülern zu Hause, wenn die Eltern nicht von sich aus in die Schule kämen.“

Viele Pädagogen empfinden vor allem die Beobachtungsbögen als ein „Bürokratisches Monstrum“ , das den Lehrkräften keine Zeit mehr lässt Konsequenzen aus den Aufzeichnungen zu ziehen.
Wenngleich die Reform mit einem enormen Mehraufwand für die Lehrkraft gleichzusetzen ist, findet sie auch bei einigen Pädagogen große Zustimmung.
„Die viele Schreiberei habe den Vorteil, dass Eltern wissen was Sache ist und konkret auf Fördermaßnahmen angesprochen werden. Durch den zeitlichen Mehraufwand sei man als Lehrer gezwungen, sich intensivere Gedanken über einzelne Schüler zu machen.“

Es bleibt im Folgenden abzuwarten, wie sich die bisherigen Meinungen gegenüber den neuen Zeugnissen weiterentwickeln und welche Konsequenzen sich langfristig aus der Reform ziehen lassen.
abschluss - 20. Mai, 17:50

Interessanter Einblick. Da ich aus Berlin komme, war mir das bislang in der Form nicht klar.

LG Jule

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